Kultur: Neue und vertraute Genüsse für die Augen
Ausstellung „Gegenstand und Phantasie“ des Malerehepaares Raetsch in der Atelierkapelle auf Hermannswerder
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Ausstellung „Gegenstand und Phantasie“ des Malerehepaares Raetsch in der Atelierkapelle auf Hermannswerder Von Götz J. Pfeiffer So viele Jahre malen Barbara und Karl Raetsch in ihrem Atelier auf dem Hermannswerder. So viele ihrer Arbeiten zeigten sie seit 1991 bei ihren regelmäßigen Ausstellungen im Frühjahr und im Herbst. Ist da noch Neues zu erwarten? Die Frage ist ebenso berechtigt wie wenig anstößig. Denn das Malerehepaar hatte immer wieder Überraschendes zu bieten. Ihre unterschiedlichen Handschriften schrieben sie im Laufe der Jahre stetig fort. Und so führt auch die jüngst eröffnete Ausstellung die bekannten Motive und Auffassungen der beiden Maler vor Augen, in beeindruckender, zuweilen überraschender Weise. Zu „Gegenstand und Phantasie“, so der Ausstellungstitel, entführten die gut 50 Ölbilder und Aquarelle schon bei der Vernissage die zahlreichen Besucher, einige sogar zum Kauf, wie sich die Maler freuen können. Und wenn man bestimmen wollte, wer der beiden Künstler eher zum Gegenständlichen, wer eher zur Fantasie neigt, würde man scheitern. Denn Barbara Raetsch sagt von sich und ihren Bildern selbst: „Der Gegenstand interessiert mich nicht. Nicht mehr“. Auf ihren gegenständlichen Landschaftsbildern der frühen 1990er Jahre waren Regionen noch zu erkennen, waren Orte nicht nur an den realen Namen der Bildtitel wieder zu finden. Inzwischen sieht Barbara Raetsch für ihre Bilder die Gebäude wie bei „Häuser am Hang“ von 2002 als gelbe Flecken mit ausgefransten Rändern in einer dunkleren Fläche, wurden ihr die bestellten, im Sonnenlicht leuchtenden Äcker wie die Arbeiten der „Mohnfeld“-Serie von 2003 zu abstrakten Farborgien, was sich zuvor schon in der „Rapsfeld“-Folge zeigte. Die im Relief aufgetragenen Farben Gelb oder Rot finden sich in reichen Nuancen. Sie sind so kräftig, dass sie sogar auf das einzig zum Kontrast verwendete Schwarz abfärben. Eine wahrhaft tonige, aber niemals eintönige Malerei, die aus der Spannung der zwei Grundfarben, aber auch aus dem Farbrelief lebt. Warum diese Konzentration auf Gelb und Rot? „Gelb reizt mich“, meint die Malerin, „aber Rot finde ich auch verrückt.“ Ihr Mann lobt ihr Farbgefühl. Und ohne Einschränkung wird man ihm vor den beeindruckenden Leinwänden beipflichten. Barbara Raetsch hat sich in vielen Jahren immer mehr der Farbe, dem ureigensten Gegenstand der Malerei genähert. Und erinnern Bildtitel wie „Landschaft“ oder „Oktober“ auch immer noch an ihre gegenständlichen Wurzeln, zeigen die Arbeiten „Licht“, „Wind“ und „Dämmerung“ eindeutig ihre Entwicklung zum Immateriellen, zu seiner malerischen Visualisierung. Konzentriert sich Barbara Raetsch auf Landschaftsbilder und verfolgt die über lange Jahre entwickelte Bildserie von Potsdamer Häusern nicht weiter, ist auch bei ihrem Mann ein Wandel festzustellen, der schlicht erfreulich ist. Karl Raetsch hat zu größeren Formaten zurück gefunden, ohne dabei die Aquarelle, die er seit Jahren parallel zur Malerei mit ansehnlichem Erfolg ausführt, außer Acht zu lassen. Ihm habe bis vor wenigen Monaten einfach die Kraft für die einen halben bis einen Quadratmeter großen Leinwände gefehlt, bekennt er offenherzig. Da seien einige Bilder liegen geblieben, zahlreiche ständen immer noch unfertig. Und er zeigt nach oben, unter das Dach der Kapelle, wo er sein Atelier hat. Doch die Energie, die er ausstrahlt, lässt nicht zweifeln, dass er auch diese unvollendeten Arbeiten fertig stellen wird. Bilder aus jüngster Zeit, so „Der Professor“ oder „Prinz“, beweisen wieder den Maler, der wie früher aus eigenem Erleben und Empfinden seines Lebensumfeldes heraus schafft. Vor einem Hintergrund mit politischen Worthülsen von „Bombodrom“ bis „Job-Floater“ erkennt man im Akademiker unschwer einen jener Experten, derer sich die Politik derzeit so gerne bedient. Er wie auch der Adelige schauen aus einem Kasperle-Theater, sind zu Marionetten geworden – eine gute Satire, die bitter-böse ist und zudem schmunzeln lässt. Daneben unmittelbar beeindruckende Bilder wie „Die Malerin“ mit wachem Blick aus großen Augen oder der ganzfigurige „Jüngling“, beide von 2002. Ähnlich präsent steht in strahlendem Alabasterglanz „Charlottenhof“ vor dunkler Waldkulisse. Kein Geheimnis, kein „höherer Sinn“ lässt sich aus diesen Bildern enträtseln. Und doch stellt die malerische Sicht die Dinge in wesentlicher Weise dar. Wie auf den Aquarellen „Wolkenbruch“ und „Großer Himmel“ ist auf den Bildern weniger dargestellt, als der Maler gesehen haben wird. Und doch hat er in seiner Arbeit mehr vereint, als man bei einfachem Blick sehen würde. Wie seine Frau rührt Karl Raetsch an das Wesen der Dinge. Und den neuesten wie den älteren Bildern beider Maler ist gemeinsam, dass sie die Sinnlichkeit des Lebens in einer sinnlichen Malerei festhalten. Das Auge betrachtet dies Vertraute und auch das Neue immer wieder mit Genuss. Bis 16. November im Atelier Raetsch in der Kapelle auf Hermannswerder, geöffnet Sa-So 11-17 Uhr und nach Vereinbarung: 033-2701120.
Götz J. Pfeiffer
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