zum Hauptinhalt

Kultur: Neue Welt tanzt Alte Welt

Premiere bei Musikfestspielen: Händels „Terpsichore“ im Schlosstheater

Stand:

Premiere bei Musikfestspielen: Händels „Terpsichore“ im Schlosstheater Von Babette Kaiserkern Man denke sich einmal unsere heutigen Herrscher als erste Tänzer in einer Ballettaufführung. Eine Vorstellung, die nicht der Komik entbehrt, aber vor 300 Jahren nicht ungewöhnlich war. Spätestens als König Ludwig XIV. in einem Ballett als Sonnenkönig auftrat, galt der Tanz als höfische Kunst par excellence. Herrschertugenden und Bildungsideale konnten beim Tanzen wie in einem Spiegel gelernt werden. Den dermaßen einflussreichenTanz aus Barock und Rokoko neu zum Leben zu erwecken, ist seit 30 Jahren das Ziel der New York Baroque Dance Company, die erstmals im Schlosstheater des Neuen Palais zu erleben ist. Ihr Auftritt mit der Lautten Compagney, den Sängerinnen Roberta Invernizzi und Ann Hallenberg geriet zum vielleicht spektakulärsten Erfolg der Musikfestspiele. Es mussten wohl Menschen aus der Neuen Welt sein, um diese fast vergessene europäische Kunst zu studieren. Dass die Baroque Dance Company aus New York, der Kunstmetropole des 20. Jahrhunderts, nun im historischen Schlosstheater die Tänze jener Zeit brilliant aufführten, bedeutet auch einen ganz besonderen Austausch zwischen Alter und Neuer Welt. In den Choreographien von Catherine Turocy, der vielfach ausgezeichneten Gründerin der Compagnie, steht der Tanz für Grazie, Eleganz, Leichtigkeit, Humor und Regelhaftigkeit. Die Regeln des Anstands, der Vernunft und der künstlerischen Gestaltung, wie sie in den historischen Tanznotaten stehen, passen überraschend gut zum modernen tänzerischen Teamwork, zumal, wenn sie mit so viel Esprit, Anmut und Stil vorgetragen werden wie hier. Die traumhaften Idealbilder von Antoine Pesne und Nicolas Lancret geraten im galanten Reigentanz dreier Schäferpärchen mit Blumengirlanden in Bewegung – passenderweise zur Musik von Georg Friedrich Händels „Ariodante“. In der Suite von Jean-Féry Rebel „Les Caractères de la Danse“ werden traditionelle Tänze wie Courante, Gigue,Sarabande, Gavotte als neckisches Liebespiel von Catherine Turocy und Seth Williams getanzt. Als einer der stärksten Mythen erweist sich bis heute die Geschichte von Pygmalion – die tänzerische Darstellung durch die reizende Sarah Edgar, den kraftvollen Jason Melms und das Corps de Ballet bezaubert die Zuschauer im Nu. Die Mischung aus Tanz und Pantomine wirkt stimmig, wohl gerade weil einige neue Elemente dazukommen. Sicherlich wurde im Ballett von Friedrich dem Großen kein roter Samtstuhl beinahe gegen eine Statue geworfen - solch ein Gefühlsausbruch widersprach dem Ideal der Mäßigung - und solch eine Geste ist wohl eher dem Stummfilm geschuldet, wie auch die Szene mit dem Spazierstöckchen, die an Charlie Chaplin erinnerte. Neu und aufwändig produziert wurde Händels Terpsichore HWV 8b, ein „Singballett“ zu Ehren der Muse des Tanzes. Lob und Lust des Rokokotanzes - vor der Kulisse des Musenrondells im Park Sanssouci konzentriert in Szene gesetzt. Ironisches Zitat und liebevolle Darstellung, vokale Höhenflüge, musikalische Schubkraft und tänzerische Grazie ergeben ein vielschichtiges Gesamtkunstwerk. Historisches Ambiente und aktuelle Repräsentation vereinigen sich höchst lebendig in der Gegenwart. Die Künste schwingen sich auf, um dem Ideal der Liebe zu huldigen. Roberta Invernizzi als Erato, Göttin der Liebesdichtung, lässt bei ihren blitzenden Da capo-Arien keine Wünsche an Virtuosität offen. Ann Hallenberg als Apoll vertritt ihren göttlichen Part vortrefflich, mit würdig und edel geführter Stimme. Als Terpsichore ist die hinreißende Tänzerin Catherine Copeland zu sehen. Die Capella Angelica singt stilvoll, die Lautten Compagney unter der Leitung von Wolfgang Katschner steigert sich nach leichten Schwächen zu großartigem, stringentem, rhythmisch betontem Musizieren.

Babette Kaiserkern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })