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Kultur: Nicht in der Schmollecke

Zeraphine aus Berlin gastierte im Waschhaus

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Zeraphine aus Berlin gastierte im Waschhaus Der Name ist immer mehr als nur schnödes Beiwerk. Je weiter der musikalische Pfad zur dunklen Seite führt, umso bedeutungsvoller geben sich deren Verehrer in ihren selbstgewählten Titeln. Nicht der Zufall oder die Bierlaune zeichnen sich verantwortlich. Totenreich, Latein des Mittelalters und natürlich die Bibel werden durchforstet, um den richtigen Bandnamen zu finden. Und so trägt kaum eine andere Musikrichtung als die der Gruft- und Gothicszene ihr deutlichstes Erkennungsmerkmal im Namen. Sag mir wie du dich nennst und ich sage dir, welche Musik du machst. Der Seraph, ein sechsflügliges Engelswesen, rätselhaft in Schlangengestalt, aus der Berufung des Propheten Jesaja, diente fünf Musikern aus Berlin als Namensgeber. Zeraphine, nach der Trennung der Dreadful Shadows, von Sänger Sven Friedrich und Gitarrist Norman Selbig gegründet, sind aber trotz des gewichtigen Namens eine eher fröhliche Band und meiden die sonst übliche Schmollecke des Selbstmitleides und der Untergangsstimmung wie der Leibhaftige das Weihwasser. Düster einzig die elektronischen Elemente, die viele Lieder von Zeraphine eröffnen. Dann kommt aber schon das Verzerrte der Gitarren und die tiefe, angenehme Stimme von Sven Friedrich, dem es mit Leichtigkeit gelingt, fast bruchlos für den Hörer, zwischen deutschen und englischen Texten zu wechseln. Schwer hatten es die fünf Musiker im Waschhaus nicht. Groß war die Zahl der Anhängerschaft und deren Verehrung ist meist absolut. Während der Lieder bedächtiges Lauschen, in den Pausen frenetischer Jubel. Und so spielten sich Zeraphine durch ihre Alben „Kalte Sonne“ und „Traumaworld“. Doch ganz ohne das allzu bekannte Pathos ging es nicht. Trotz der treibenden, das Eingängige des Pop nicht scheuenden Musik, blieb bei Liedern wie „Like a star“ oder „Sterne sehen“ das Gefühl, dass hier doch etwas dick aufgetragen wurde. Vielleicht lag es aber auch an dem einfachen, leicht zu durchschauenden Strickmuster der Musik, in der sich die elektronischen Einspielungen, die Gitarren und auch der Gesang von Friedrich allzu oft zu wiederholen schienen. Eingängig aber nicht rätselhaft, wie der Name hätte vermuten lassen. Rätselhaft nur manches Warenelement am kleinen Merchandi-singstand. Denn zwischen den üblichen Postern, T-Shirts und Tonträgern, die zielgruppengerecht mit flackernden Grablichtern verziert, stand kohlrabenschwarz und groß ein Kaffeepot, mit zierlicher Aufschrift „Zeraphine“. Viel hat man an derartigen Ständen schon gesehen. Aber dieser Kaffeepot war ein Novum. Und so rätselte man und ließ seinen Blick durch die schwarzgekleidete und oftmals bleichgesichtige Zuhörerschaft gleiten, um das Phänomen zu verstehen. Doch wahrscheinlich ist die Antwort ganz einfach: Für manche macht die dunkle Seite nicht einmal vor dem Frühstückstisch halt.Dirk Becker

Dirk Becker

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