Kultur: Nicht in Schönheit sterben
Rund 50 Millionen Euro hat die Sanierung der Schiffbauergasse gekostet. Hans Otto Theater und „fabrik“, T-Werk und Kunstraum, Fluxus+, Waschhaus und Trollwerk – Kultur gibt sich geballt an diesem Ort.
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Rund 50 Millionen Euro hat die Sanierung der Schiffbauergasse gekostet. Hans Otto Theater und „fabrik“, T-Werk und Kunstraum, Fluxus+, Waschhaus und Trollwerk – Kultur gibt sich geballt an diesem Ort. Doch trotz der schönen Fassaden, Potsdams Vorzeigekulturstandort steht seit Jahren in der Kritik. Zu wenig Geld für die Inhalte, zu wenig Leben in der Schiffbauergasse. Manche reden sogar davon, dass der Standort totsaniert wurde. Alles übertrieben oder doch leider wahr? In den PNN vom 1. August haben vier Redakteure unter der Überschrift „Noch Leben in der Gasse?“ ihre Sicht zur Lage in der Schiffbauergasse dargestellt. Nun wollen wir in den kommenden Wochen nicht nur Künstler unter dem Motto „Was wünsche ich der Schiffbauergasse“ zu Wort kommen lassen. Auch PNN-Leser sollen sich an der Diskussion unter www.pnn.de oder an leserpost@pnn.de beteiligen.
Heute: Eberhard Kapuste
Im vergangenen Jahr ist mir an einem verregneten, grauen Märztag zum ersten Mal schmerzhaft bewusst geworden, wie trostlos steril doch der frisch hergerichtete Schirrhof und manch anderer Bereich der Schiffbauergasse geworden ist. Wo ich doch immer so begeistert war über das, was hier in den letzten Jahren entstanden ist, und hierüber überall die frohe Botschaft verkündet hatte! Die Einzelteile sind es nicht, die monoton und langweilig wirken, die meisten Bauten finde ich auch heute noch gelungen. Der Gesamteindruck ist es, der nicht befriedigt. Es ist alles zu glatt, ohne Kanten und Ecken, ohne Pfiff. Bis auf die Uferpromenade lädt nichts zum Flanieren ein.
Sicherlich wird sich noch Einiges einpendeln, aber ich fürchte, dass, wenn nicht Wesentliches geschieht, die Schiffbauergasse als Gesamtwerk zum Dahindümpeln verurteilt ist. Die Gefahr, in architektonischer Schönheit zu sterben, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch ein Standortmanagement, mit dessen Installierung die Stadtverwaltung ein jahrelanges Trauerspiel aufgeführt hat, wird daran nicht viel ändern. Die Zahl derer, die die Schiffbauergasse am Tag besuchen wollen, wird immer begrenzt sein. Zu Beginn der Bauphase hat man übrigens mal von jährlich 500 000 Besuchern gefaselt!
Ehrlich gesagt, ich weiß keinen Königsweg, aber man sollte als erstes versuchen, die abweisende Sterilität aufzulockern. Durch im Freien stehende Kunstobjekte, wie sie uns bereits Dennis Oppenheim hinterlassen hat, zum Beispiel, und wie es der Potsdamer Kunstverein mit einer Skulptur von Marcus Golter vorhat. Vor allem aber: Pflanzt Bäume und nochmals Bäume, aber bitte nicht militärisch öde in Reih und Glied! Angeblich verbiete dies der Denkmalschutz. Wenn ja, so wäre das Unsinn. Eine Kavalleriekaserne von anno dunnemal verträgt im Jahr 2009 allemal Bäume. Wenn unsere Altvorderen die Plätze nicht für ihre Gäule und ihre Rekruten zum Stechschritt üben gebraucht hätten, hätten sie sicherlich gepflanzt.
Wichtiger aber erscheint mir, dass die potenziellen Besucher auch untertags etwas vom Betrieb der vorzüglichen Kultureinrichtungen mitbekommen. Klar, die Möglichkeiten, nach draußen zu gehen, etwas openair zu gestalten, sind begrenzt, und man „kann sich nicht jeden Tag ein Ohr abbeißen“, wie es schon der große Martin Kippenberger gesagt hat. Aber könnte man nicht den umgekehrten Weg gehen und versuchen, die Flaneure in die Gebäude zu ziehen, sie mit einzubeziehen in den Alltagsbetrieb? Lasst, wo irgendwie vertretbar, alles öffentlich sein: die Proben, das Auf-, Um- und Abbauen und Werkeln, das Malen, Putzen, Lehren, Besprechen. Was auch immer. Wenn sich das herum spricht, kommen sicherlich Neugierige, um den kulturellen Alltag vor Ort zu erleben. Ihr habt nichts zu verbergen und so stören wird es schon nicht. Besorgt Euch Fußmatten, damit die Leute sich bei schlechtem Wetter die Füße abtreten, lasst nichts unnütz herumliegen, damit die Souvenierjäger nicht in Versuchung geraten, haltet die Türen weit offen und schreibt im kalten Winter draußen an, was gerade anliegt. Die Assoziation an die in den Zoos angeschlagenen Fütterungszeiten muss man halt hinnehmen. Ansonsten bin ich weiterhin fest davon überzeugt, dass die Schiffbauergasse ein Erfolg wird. Da draußen sind viel zu viele kompetente Leute, als dass es schief gehen könnte, und der neuen Kulturbeigeordneten und der bewährten Fachbereichsleiterin Kultur wird schon etwas einfallen.
Eberhard Kapuste war jahrelang Vorsitzender des Ausschusses für Kultur.
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