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Kultur: Nicht versiegende Lebenslust

Zwei Frauengenerationen improvisieren: Uraufführung von „Die wichtigsten Fragen im Leben“ im HOT

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„Was ist mein Traum?“ „Was muss man im Leben erreicht haben?“ „Warum lebe ich jetzt?“ Fragen, die ans Eingemachte gehen und nicht immer so leicht zu beantworten sind. Daneben gehören brisante Fragen des Typs „Bekomme ich meine Tage?“, „Wie kriege ich mein Leben in den Griff?“ oder „Wie schafft man es, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen?“ unverändert zu den Dauerbrennern unter den Frauenfragen.

Sieben junge und vier nicht mehr ganz so junge Frauen treffen aufeinander und verwickeln sich in ein animiertes Fragen- und Antwortspiel. Die schwimmhallenblau gekachelte Kulisse der Reithalle A wird zur Arena, in der sich die Frauen runde 70 Minuten lang verbal duellieren.

Zu Beginn der Uraufführung am Samstagabend sitzen die elf Kandidatinnen noch mitten unter den Zuschauern in den dicht gepackten Sitzreihen. Nur kurze Zeit später wird sich auf der Bühne aus dem zunächst eher noch verhaltenen Spiel eine ganz eigene Dynamik entwickeln. Oberste Spielregel dabei ist das Gebot der Improvisation. Welches die wichtigsten Fragen im Leben sind, wird über den Abend hinweg spontan, aus der Situation heraus, verhandelt. Die als „Stückentwicklung“ auftretende neueste Produktion des Jugendtheaterclubs unter der Leitung von Andreas Steudtner wird auch nach seiner Uraufführung ein Stehgreifstück bleiben. Dessen Herausforderung an die Schauspielerinnen liegt in der Konzentration auf den nur vage vorbereiteten Augenblick, in dem von den Darstellerinnen immer neue Wortwechsel über Fragen zu meistern sind, die ihnen persönlich auf den Nägeln brennen.

In rasch aufeinander folgenden Szenenwechseln gehen die Gesprächspaare ständig neue Bindungen ein, während denen die anderen zu stummen Beobachtern werden. Der Gedanke, das Ganze als einen Wettstreit zwischen den Kandidatinnen nach dem Strickmuster eines TV-Quiz“ zu verpacken, wird dabei zum dramaturgischen Dreh- und Angelpunkt. Im Gesamtbild gerät die bunte Mischung zwischen konzentrierten, nachdenklichen Dialogen und stellenweise auf Klamauk setzenden Gruppenszenen zu einer engagiert vorgetragenen Nummernrevue. Hier stehen bei der Improvisation zu den Themen „Gibt es Seelenverwandtschaft?“ oder „Was bedeutet es, Mutter zu sein?“ Einzelszenen mit gewissen Längen Momenten gegenüber, in denen an Tabus rührende Zwiegespräche („Mama, ich bin schwanger“ oder das laute Nachdenken darüber, wie das damals mit dem Nazi-Wahnsinn war), unter die Haut gehen.

Die Chance für die Frauen, die in den vergangenen Monaten intensiv miteinander an der Stückentwicklung arbeiteten, liegt in der Überbrückung von zwei Generationen Lebenserfahrung. Das Stück entfaltet gerade dort seine Stärken, wo auch für den Zuschauer spürbar wird, wie sehr sich beide Generationen trotz unterschiedlicher Prägung ergänzen. Und einander in ihren Wünschen und Bedürfnissen, teilweise auch in ihren Erfahrungen, manchmal sogar verblüffend ähnlich sind. An Lebenslust und Risikobereitschaft – so viel macht der Abend klar – können die Älteren den Jüngeren allemal das Wasser reichen. Gleichzeitig holt den am Leben gereiften Trupp im Dialog mit der Jugend immer wieder der Hang zum Moralisieren ein. Umso dankbarer reagierte das überwiegend junge Publikum bei der Uraufführung vor allem dann, wenn sich die Kandidatinnen mit kesser Schnauze, Wortwitz und Schlagfertigkeit die Stirn zu bieten suchten.

Alles in allem ein kurzweiliger und dabei stellenweise durchaus Tiefgang erreichender Abend rund um die wichtigsten Fragen im Leben, bei denen freilich, in Ermangelung von Kandidaten, die männliche Perspektive auf der Strecke blieb.

Reithalle A. Weitere Vorstellungen: 12. April und 24. Mai.

Almut Andreae

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