zum Hauptinhalt

Kultur: Nicht wirklich Rock“n“Roll

Looking for a kiss und The Black Cherries im Waldschloss

Stand:

Looking for a kiss und The Black Cherries im Waldschloss Auf der musikalischen Landkarte präsentiert sich Lüneburg als weißer Fleck. Man mag sich auch noch so lange das Hirn zermartern, zu dieser niedersächsischen Kreisstadt will einem nicht einmal ein weniger bekannter Bandname einfallen. Umso hellhöriger wird man, wenn sich zwei Söhne dieser Stadt selbstbewusst The Black Cherries nennen, eine Platte herausbringen und geschickt Vergleiche mit den Strokes, White Stripes und Libertines gestreut werden. Vielleicht ist in Lüneburg ja tatsächlich etwas Besonderes am köcheln. Potsdam ließ sich davon am Sonnabend nicht überzeugen. Die gerade einmal dreißig Neugierigen wirkten etwas verloren im ohnehin nicht großen Waldschloss. Dreißig, das war die Zahl bei der Vorband. Looking for a kiss, drei Raubeine aus Potsdam, die sich dem Punkrock a la Ramones verpflichtet fühlen. Kurz und rabiat, laut und enthusiastisch, Looking for a kiss machten richtig Spaß. Ende 2001 gegründet, ritten sie an diesem Abend jedes Lied wie eine gnadenlose Attacke. Ihr Spiel dabei schlicht aber wirkungsvoll. Und als sie sich nach gut einer halben Stunde von der Bühne verabschiedeten, da hatten sie einem längst ihre Visitenkarte fest aufs Trommelfell genagelt. Die Drei sollte man im Auge behalten. Wie gesagt, dreißig Gäste bei Looking for a kiss, von denen einige sogar eine Zugabe verlangten. Als The Black Cherries dann zur Tat schritten und ihre Definition von Rock“n“Roll präsentierten, da dauerte es zwei Lieder lang und nur noch Zwanzig waren vor der Bühne zu zählen. Und das ungute Gefühl, das einen schon vorher beschlich, dass mit der Vorband schon der Höhepunkt des Abends erreicht war, wurde leider bestätigt. Die Gitarre verzerrt, der Gesang brüllend, laut sind die Black Cherries schon. Doch so recht wollten ihre Lieder an diesem Abend nicht zünden. Das mag auch an der elektronischen Eintönigkeit der Drum-Pads gelegen haben. Diese zwei Prügelplatten, ein nur billiger Schlagzeugersatz, sie klingen immer furchtbar künstlich, furchtbar monoton. Es gehört schon Mut dazu, sich heute mit derartigem Instrumentarium auf die Bühne zu trauen. In den 80er Jahren waren Drum-Pads schick. Aber da waren auch monströse Schulterpolster in den Jacken und Fönfrisuren bei Männern die absoluten Renner. So spulten The Black Cherries ihr Programm ab und es hätte nicht ihrer Coverversion von „Always on my mind“ bedurft um zu erkennen, dass hier Popgut der 80er Jahre im Beschleuniger präsentiert wurde. Nach 45 Minuten war dann Schluss. Die mitgebrachten Freundinnen brüllten zwar ganz enthusiastisch, doch Zugaben verlangte hier niemand. „This is Rock“n“Roll, so verkündet die Bandinfo der Black Cherries. Verstärkt wird diese Aussage noch mit 12 Ausrufezeichen. Nach dem Konzert im Waldschloss waren diese Ausrufezeichen zu dicken Fragezeichen geworden. Aber mal ganz ehrlich, wer hatte erwartet, dass ausgerechnet in Lüneburg der Rock“n“Roll neu erfunden wird? Doch was nicht ist, kann ja immer noch werden. Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })