Kultur: Nichts Neues von Luise Mit verklärtem Blick:
Eine Lesung im HOT
Stand:
Der Preußische Schlösser-Marathon am Sonntag hat einiges in Potsdam durcheinandergebracht. So konnte Knut Kiesant, oft für die Einführung der beliebten Lesereihe im Hans Otto Theater verantwortlich, nicht mehr rechtzeitig heraneilen, um das so zahlreich erschienene Publikum vorab über seine wissenschaftliche Sicht auf Luise zu informieren. Schade eigentlich, dann auch in ihrem Jubeljahr ist ihres Seufzens und Lobens sehr viel. Machte die Auswahl von Hans-Jochen Röhrig da eine Ausnahme? Immerhin hat man nach dem Intendantenwechsel endlich erkannt, um wie viel vorteilhafter solche Lesungen oben, im Glas-Foyer, sind, man sah sogar die Schloss-Flitzer traben, im Park zu Babelsberg. Draußen war Kaiserwetter, drinnen lief ein Programm, welchem der Sport die Rahmung gestohlen hatte.
Ein kleines Podest, im Hintergrund eine Metallvase voller Weißlilien, auf dem Tisch im Glas eine Rose, ebenfalls fahl. Hans-Jochen Röhrig weiß natürlich um die Gefahren bei der Ikonisierung dieser „unvergleichlichen Königin“, einer Formulierung, die sich für solche Hoheiten eigentlich von selbst verstehen müsste. Andererseits wirft ja gerade das Unvergleichliche einen zweifelhaften Schatten auf die anderen Königinnen in und von Preußen, die waren dann wohl nicht so ... Aber was soll’s, Luise ist nun mal „In“. Heißt: Sie wird gebraucht, als erwählte Frau dieses Jahres besonders.
Die Textauswahl dieser Matinee berief sich einerseits auf den erst 1903 von Bailleu herausgegebenen Briefwechsel zwischen Luise und ihrem Gatten Friedrich Wilhelm III., andererseits auf Mitteilungen der Oberhofmeisterin Gräfin von Voss sowie August von der Marwitz. Zusammen mit weiteren Quellen reproduzieren sie immer dasselbe Bild: Die Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz etwas naiv und närrisch, eine leidenschaftliche Tänzerin und Patriotin, er der mehr und mehr glücklose Held im Kriege gegen Napoleon, dessen Legionen man schon „Höllenbrut“ zu nennen sich gestattete, „Schmach“ seine Herrschaft über das besiegte Deutschland, woran Prinz Friedrich Wilhelm wohl auch seinen persönlichen Anteil gehabt haben mag.
Sie mehr Engel, er mehr Schrat, trotzdem eine glückliche Ehe, so wurde es auch am Hans Otto Theater mitgeteilt. Nur sehr viel emotionaler, denn die Schauspieler Juliane Götz und Jon-Kaare Koppe legten ungeheuer viel Gefühl in das verbriefte Liebesleben der beiden Königlichen. Fast wurde vergessen, dass die hübschesten Passagen ein bis über die Ohren verliebter Backfisch (Luise heiratete mit Siebzehn) geschrieben hatte.
Die Harfenistin Cornelia Büttner fügte dieser Romanze die zartesten Noten von Alphonse Hasselmans, Philipp-Jaques Meyer und anderen Zeitgenossen hinzu. Kein Wunder also, wenn nach etwa siebzig Minuten ein ganz gerührtes Publikum zu applaudieren wünscht. Es war ja auch traurig genug, wie der Gatte den Tod seiner Gattin beschreibt. Seit 1810 ist Luise nun in ständiger Verklärung. Den Schlossgartenfestspielen Neustrelitz war ihr Leben 2004 sogar eine Operette wert, auch ganz konfliktfrei.
Trotzdem wundert man sich. Eine Lady, die ihr Leben so ganz dem Glück ihres Mannes geweiht hat, im Dienst dieses Jahres der preußischen Frauen? Und da hat sich noch keine Emanze aufgeregt?
Bei der Märkischen Matinee wäre das auch nicht möglich gewesen, alles war lieb und sanft, freundlich, und am Ende sogar noch etwas trauriger, als man gedacht. Ruhe endlich in Frieden, Luise!
Gerold Paul
Gerold Paul
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