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Kultur: „Nimm auf das Licht“

Musik in der Christnacht, gesungen von der Choralschola und Chorsängerinnen, in der Pfingstkirche

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Musik in der Christnacht, gesungen von der Choralschola und Chorsängerinnen, in der Pfingstkirche Von Gerold Paul Zur Mitternacht hin läuteten überall Glocken in Potsdam. Auch in der Evangelischen Pfingstkirche, etwas abseits der Wege, war eine mitternächtliche Andacht zum Christfest bereitet. Unter der Leitung von Matthias Trommer sang die bewährte Choralschola zusammen mit Sängerinnen des Kirchenchores, Klaus Büstrin sprach die Texte, einige Soloparts gab Friedhelm Wizisla auf seiner Klarinette. Obwohl die Wetterfrösche Blitzeis angesagt hatten, war die Kirche sehr gut gefüllt, sogar ein Baby im Kinderwagen schien die Frohe Botschaft hören zu wollen. „Musik in der Christnacht“ also in einem zeitlich weitschweifendem Programm, das vom 16. bis ins 20. Jahrhundert reichte, von Johann Stobaeus und Hans Leo Haßler bis zu Klängen, welche der Pfingstkantor am E - Piano auf Texte von Josef Weinheber und Lothar Petzold gesetzt hatte. Kerzen und Grün in den Hochfenstern, rechts vom Altar ein hübscher Baum. Alles war in ein Kerzenlicht getaucht, es schien, als suchten die Organisatoren dieser Vesper einer Reihenfolge zu gedenken, wie sie das hektische Leben heute diktiert: Einkehr tut not, Freude ist später, vielleicht. Die Stimmung blieb besinnlich-verhalten, zuweilen feierlich, oder modern, und was der Perfektion vielleicht an einigen Stellen gebrach, das versuchte man durch innige Haltung auszugleichen. Lob stellte sich schwer ein Warum sich der Grundgedanke des Lobens vor dem Altar trotzdem nur schwer einstellen wollte, gehört wohl zu den Geheimnissen dieser Andacht. Nimmt nicht „Gaudens in Domino“, von der Choralschola an den Anfang gesetzt, Freude und Wohlgefallen bereits ins Wort, wie auch „Gott, heiliger Schöpfer aller Stern“ (beide anonym, 15. und 16. Jahrhundert)? In einer sehr geschlossenen Chor-Darbietung wurde Melchior Vulpius'' (1560-1615) „Nun komm der Heiden Heiland“ , Bach''s gleichnamigen Choral zur Seite gestellt, instrumental und besinnlich. Gleiche Intensität erreichten die Sänger bei Haßler''s (1564-1612) „Ein Kind geborn zu Bethlehem“, das mit einem wundervollen Halleluja endete. So nahm eines das andere auf: Auch Michael Praetorius (1571-1621) hatte dieses Ereignis in Noten gesetzt. Man hörte die Choralschola, diesmal mit einer Frauenstimme besetzt. Mit Textbeiträgen hielt man sich diesmal zurück. Klarinette und E- Piano wollten Josef Weinhebers (1892-1945) „Anbetung des Kindes“ nochmals unterstreichen, was kaum nötig gewesen wäre. Klaus Büstrin las aus dem 2. Kapitel des Lukas-Evangelium, dazwischen Leonhart Schröter (1540-1595) mit „Lobt Gott, ihr Christen, alle gleich“. Sehr nachdenklich - so wollte es der Kantor. Klaus Büstrin las seine Parts mit Ruhe und Übersicht, fast sachlich im Erzählton. Auffallend jedenfalls die Vielzahl geistlichen Liedguts aus Reformation und Barock. Thomas Tallis (ca. 1505-1595) und das bis in die Stille geführte „Quem Pastores Laudavere“ aus dem 15. Jahrhundert waren zwei sehr schöne Stücke für den Chor, Bachs „Gelobet seist Du, Jesu Christ“ erklang mit Klarinettenbegleitung in instrumentaler Innerlichkeit. Friedhelm Wizisla gab noch ein Hirten-Solo dazu, welches sich aus geistigen Tiefen über jazzige Elemente bis zum Klezmer-Klang erhob. An alle erging zum Beschluss der programmatische Aufruf: „Nimm auf das Licht aus gleichnishaften Liedern, und trag es in das Dunkel, erfüllt das Wort, es möge Friede sein“ (Gisela Pinkert). Musikalische Vielfalt – inmitten des meditativen Raumes, die Stille wollte und Stille gebar, am Tage von Christi Geburt.

Gerold Paul

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