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Kultur: Noch im Gären

„Stücke- Abend bei den Potsdamer Tanztagen bot Fertiges und „Works in Progress“

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„Stücke- Abend bei den Potsdamer Tanztagen bot Fertiges und „Works in Progress“ Fast schon traditionell ist der so genannte „Stücke-Abend“ bei den Potsdamer Tanztagen – er bietet den passenden Rahmen für kürzere noch nicht ganz ausgereifte Arbeiten. Hier also können junge Choreographen erste Versuche präsentieren oder auch so genannte „Works in Progress“, Zwischenergebnisse einer noch andauernden Probenarbeit gezeigt werden. Mitunter gibt es bei einer solchen Veranstaltung interessante Entdeckungen zu machen, mitunter aber bleibt das Programm auch hinter den Erwartungen zurück. So geschehen am Mittwochabend. „L“Assis“ – die Sitzende – so hat die Französin Valeria Apicela ihr erstes Solo betitelt, ein Titel, der an eine Rodin-Skulptur erinnert und das nicht von ungefähr. In einem schummrig erleuchteten Viereck kauert auf einem Stuhl eine zunächst kaum wahrzunehmende Gestalt, ein in sich zusammengezogener Körper, der sich behutsam in den umgebenden Raum hineintastet. Arme breiten sich wie Schwingen zur Seite, ein Fuß erspürt fast zärtlich den Boden. Dann wieder, wenn die Tänzerin sich längst von ihrem Stuhl gelöst hat, schiebt sich ihr Körper stakkatohaft über die Diagonale, rhythmisch werden dazu laute Atemgeräusche ausgestoßen. Ein Spektrum höchst unterschiedlicher Bewegungsansätze und -formen breitet Valeria Apicela vor dem Publikum aus, immer durchdacht und bis ins Detail formuliert. Das macht ihr Solo von der ersten bis zur letzten Minute sehenswert – auch durch das Zusammenspiel mit Musiker Ansgar Tappert, der einer Flöte höchst ungewöhnliche Töne entlockt – von schnaufend bis fauchend, von melodisch bis grell. Mit grelleren Farben und schrilleren Tönen geht der Abend in die zweite Runde. Zu einer „2-Minuten-Berlin-Tour“ bricht da ein skurriles Päarchen auf – er im dunklen Anzug, sie in Abendrobe. Während er sich (auf Englisch) in atemberaubenden Tempo durch Berlins Stadt- und Architekturgeschichte haspelt, hopst sie – wie ein aufgezogenes Püppchen – um ihren „Stadtführer der unheimlichen Art“ herum. „Ich Herz Berlin“ ist der Titel einer Collage, die die US-amerikanischen Performer Stephanie Maher und Sten Rudstrom als „Work in Progress“ vorstellen. Texte,Gesangs- und Tanzpassagen reihen die beiden aneinander – zu mitunter grotesken Momenten kommt es da, beispielsweise wenn die beiden zu Countrymusik-Klängen auf allen Vieren herumkrabbeln. Oder aber wenn ein von Stephanie Maher mit strenger Stimme angeleiteter Bewegungsworkshop zum Horrortrip mutiert. Überhaupt, Horror lauert unter der scheinbar harmlosen Oberfläche, so wird immer wieder düster raunend vom Holocaust-Mahnmal, den Schrecken des Krieges oder seltsamen operativen Eingriffen gesprochen, fast übergangslos folgen dann wieder Kinderspielchen und -reime oder eine schräge Gesangsnummer. Im Herbst 2006 wollen Maher und Rudstrom ihr komplettes Stück vorstellen – es dürfte mit Sicherheit Anklang bei der bereits vorhandenen Fangemeinde finden. Nach einer unnötig langen Pause dann ein Ausschnitt aus einer Recherche der drei Tänzer/Choreografen Joris Camelin,Mata Sakka und Jörg Lukas Matthei. Topfpflanzen, ein Fernseher und die Darsteller erwarten das zurückkehrende Publikum. Eine Tänzerin schwenkt neckisch ein Handtuch,die beiden Männer kreiseln am Platz, entledigen sich nach und nach dabei ihrer Kleidung. „Watching me Watching you“ will der Frage nachgehen, wann der Künstler eigentlich auf der Bühne „mit dem Performen beginnt“ und was das Publikum dabei sieht beziehungsweise fühlt. Wohl überwiegend Langeweile in diesem Fall, denn das Konzept mag sich nicht recht vermitteln, Bewegungs- und Textfragmente sind zu beliebig aneinandergereiht. Erste Ergebnisse eines Workshops, einer gemeinsamen Arbeitsphase gleich auf der großen Bühne zu präsentieren – das macht nicht immer Sinn. So bleibt von dem eigentlich vielversprechenden „Dreierabend“ lediglich ein fader Nachgeschmack. Sabine Loeprick

Sabine Loeprick

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