Kultur: Noch ist Bohlen nicht verloren
Tatjana und Andrea Meissner boten ihr neues Programm „Rauf oder runter“ auf dem Theaterschiff
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Tatjana und Andrea Meissner boten ihr neues Programm „Rauf oder runter“ auf dem Theaterschiff Tatjana und Andrea Meissner am Ende! Sie wollten sich am Donnerstag sogar gemeinsam suizidieren, denn hienieden „hat das Leben uns beschissen und wird weggeschmissen!“. Das geht nun fehl, die zwar namensgleichen, aber nicht verwandten Kabarettistinnen sind sich, wie Weißclown und August, nicht einmal am Abgrund grün. Nun müssten sie wohl all die Abstrusitäten der deutschen Regierung auch weiterhin gemeinsam ertragen, Steuer- und Rentenreform, Ökoabgaben und Praxisgebühr, würde nicht justment ein Amt Bewerber für den Himmel suchen, freiwillige Suizidanten, um die wunden Staatsfinanzen zu entlasten. Anträge werden gegen eine Bearbeitungsgebühr von 700 ? sofort bearbeitet, Ablehnungen sind aber möglich. Somit stellte sich nicht nur dem eloquenten Brettl-Duo mit Vitalkraftfaktor Eins die entscheidende Frage: Himmel oder Hölle - „Rauf oder runter?“, sondern auch den Besuchern auf dem Theaterschiff, welches dem neuen Programm von Meissner & Meissner seine eigene, die Potsdamer Atmosphäre, dazugab. Die Wartezeit bis zum Antwortbrief vertrieben sich die todesmutigen Damen mit allerlei Reflexionen über das Diesseits, zuerst zurückhaltend mit Blick zum Himmel, dann eher „höllisch“, was zwar Bosheit und Spott auf das vollbesetzte Schiff bedeutete, aber noch etwas geordnet werden müßte. Die eine schrill, im kecken Kurzen, die andere intellektuell behaucht, servierte man ein Kabarett der Kurzweil, aktuell, grell, voll heißer Songs und frecher Sprüche, sehr weiblich und elastisch, was die verwandlungsfreudigen Lästermäuler im Finale mit einem sportiven Can-Can samt Spaghat-Einlage hinlänglich bewiesen. Ein faszinierend-bunter Abend, bei dem man mehr erleben als nach Hause tragen konnte. Keine blanke Nummern-Folge mit politisch-pädagogischen Pointen wieim Obelisk, sondern direktes Engagement am Leben und am Selbst. Man brachte sich von Anfang bis Ende höchst persönlich ein, weiblich, klug, und manchmal auch erschöpfend, nicht nur bei der erstklassigen Lohengrin-Persiflage vor der Pause. Rauf und runter brodelte das Leben. Ein „höllisches“ Vergnügen war ja versprochen, ein irdisches löste man ein. Der hohe Anteil guter Songs, von „Beene, Beene, Beene“ bis „Noch ist Bohlen nicht verloren“, gab der Kurzweil Schwung, das Lästern zwischen Lust und Himmel einige Tiefe. „Unten“ hätte es sogar noch etwas grimmiger sein können. Sorgsam achtete man auf die Publikums-Gunst: Ein Gewinnspiel um Herrn Schmidt, Mitsingen des Refrains von der Hölle - man ging oft ins Parkett. Mit Meßners Hilfe den Hagelberg zu erklimmen oder den Mutterschutz unter dem Politikum „Rauchen für die Staatsgesundheit“ zu fassen, war harmlos. Zur Bosheit gab man den Herren zuerst einen ausgewiesen frauenfeindlichen Part, um ihnen dann, spöttisch und hart am Limit, die schärfsten Sachen an den Kopf zu knallen. Lasterhaft. Lästerlich. Die Meissners wagten es sogar, Dieter Bohlen mit Jesus zu vergleichen. Als dann der abschlägige Bescheid mit dem Hinweis eintraf, man möge es doch mal in der Hölle versuchen, reifte in ihnen der Entschluss, es hier unten doch noch eine Weile miteinander auszuhalten, was Andrea Meissner leider keine Ohnmacht bescherte. Im Dauer-Clinch der kraftvollen Figuren sollte wohl noch einiges möglich sein. Gerold Paul Nächste Vorstellungen: 9. und 10.4., 20 Uhr , Theaterschiff
Gerold Paul
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