zum Hauptinhalt

Kultur: „Nosferatu“: Schauriger Abend mit Biss

„Einen wahrhaft bissigen Abend“, wünscht Kontrabassist Peter Krug den Zuschauern, die am Freitagabend den Weg in die Schinkelhalle angetreten haben. Die warten gespannt und mit „gewaschenen Hälsen“ auf den Beginn des Vampir- Films „Nosferatu“.

Stand:

„Einen wahrhaft bissigen Abend“, wünscht Kontrabassist Peter Krug den Zuschauern, die am Freitagabend den Weg in die Schinkelhalle angetreten haben. Die warten gespannt und mit „gewaschenen Hälsen“ auf den Beginn des Vampir- Films „Nosferatu“. Neben Krug begleiten Schlagzeuger KC Kaufmann und Posaunist/Flötist Günter Heinz den Film musikalisch. Eine ungewöhnliche Zusammenstellung von Instrumenten, aber es ist ja auch ein ungewöhnliches Projekt.

Die Musiker nehmen sich an diesem Abend nicht die Stummfilmversion von Murnau vor, sondern die Werner Herzog -Verfilmung von 1979 mit Klaus Kinski als unheimlichen Grafen. „Der Murnau- Film wurde schon so oft gezeigt, da hat mich die Idee gereizt einen richtigen Spielfilm mit Musik zu unterlegen“, erklärt Krug, der die Idee zu diesem Projekt hatte. „Wir machen dabei keine Filmmusik im eigentlichen Sinne, sondern fügen dem Film eine weitere Ebene hinzu“, ergänzt Heinz. Dabei müsse der Zuschauer die Ebenen wieder zu einem Gesamterlebnis zusammenfügen. In der ersten halben Stunde gelingt das nicht immer.

Das Trio ist zu präsent, um sich der langsam in Fahrt kommenden Handlung zu fügen. Es fällt auch anfangs schwer sich auf die Kombination von Live-Musik und Film einzulassen, weil der Blick von der Leinwand oft zum kauzigen Günter Heinz schweift, der nicht nur seiner Posaune, sondern auch etlichen Flöten prustend-schaurige Töne entlockt. Doch nach einiger Zeit nistet sich das Gehör ein in dieser Welt aus knisternd-dumpfen Geräuschen und beklemmenden Tönen. Die Szenen im transsilvanischen Schloss werden dabei besonders beeindruckend musikalisch bekräftigt. Krug legt Hall-Effekte auf seine Basstöne und wechselt zwischen klaren Akkorden und ätzenden Dissonanzen. Heinz hat seine Posaune auseinandergenommen und bläst schmatzend in die Einzelteile und Kaufmann trommelt dazu mit Besen oder Händen die schleichenden Schritte des Grafen nach. Die Musiker lassen sich zum Glück nicht von der teilweise sehr Effekt haschenden Bildsprache Herzogs anstecken. Vielmehr versuchen sie, eine stetige, subtile Spannung zu erzeugen. Die Musik für sich betrachtet, ist wohl am ehesten dem Free Jazz zuzuordnen. Es gibt keine Noten, der Film ist der einzige Leitfaden, der die drei Musiker verbindet. „Instant Composing“ wird diese Technik genannt und dass sie nicht nur bei Stummfilmen funktioniert, beweist das Trio mit diesem avantgardistischen Crossover - Projekt. Besonders eindrucksvoll wird das dramatische Finale, der Tod des Grafen, inszeniert: während sich Dracula bei den ersten Sonnenstrahlen am Boden windet, kreischt Heinz theatralisch ins Mikro, Krug schlägt hektisch auf seine Saiten und Kaufmann feuert epileptische Salven ab.

Am Ende des Films ist die Stadt von Dracula befreit – vorerst, denn der Graf hat den Vampir – Virus vorher weitergegeben und der neue Nosferatu reitet unter bedrohlichen Klängen davon. „Nosferatu“ flüstert Krug noch einmal ins Mikro, als die Leinwand schon völlig schwarz ist. Kurze Stille, dann gelöster Applaus vom Publikum. Beim Verlassen der Schinkelhalle und Hinausschreiten in den schummrig beleuchteten Hof, überfällt einen ein leichter Schauer – wie war das mit dem „bissigen Abend“?Christoph Henkel

Christoph Henkel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })