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Kultur: Nostalgische Schattierungen

Marianne Rosenberg stellte im Nikolaisaal ihre neue CD-Produktion vor

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Dass Marianne Rosenberg eine moderne Klassikerin ist, kann man nach ihrem Konzert im Nikolaisaal wohl behaupten. Seit über 35 Jahren steht sie auf der Bühne und hat inzwischen mehr als 30 Alben herausgebracht.

Mit ihrer neuesten Produktion „I“m a woman“ gastierte die Berliner Sängerin jetzt auch in Potsdam. Unprätentios und umgeben von einer fünfköpfigen Jazz-Band zeigt die kleine Person, wieviel Zauberkraft in ihrer großartigen Stimme steckt. Sie habe festgestellt, dass 99 Prozent der Weltmusik von der Liebe handelt, erklärt Marianne Rosenberg dem Publikum im relativ gut gefüllten Nikolaisaal.

Dieser Liebesindex entspricht in etwa auch ihrem Programm. Selbst ein originelles Lied über das Alte mit flockigem Bossa-Nova-Rhythmus und akustischer Gitarre entpuppt sich bei genauerem Hinhören ein Liebeslied. Gerne singt Marianne auf Deutsch, noch lieber berlinerisch, denn sie ist ja eine echte Berliner Pflanze.

Als Tochter von Otto Rosenberg, einem Auschwitz-Überlebenden und langjährigen Vorstand des Verbands der Sinti und Roma, kam sie in Berlin auf die Welt. Schon als kleines Mädchen sang sie für ihren musikliebenden Vater, mit 14 Jahren nahm sie ihre erste Schallplatte auf und war schon bald ständiger Gast in der Deutschen Hitparade. Zunächst als Schlagersängerin gerühmt und auch schon mal geschmäht, blieb sie nicht stehen, sondern suchte nach neuen Wegen in der Deutschen Welle und beim Jazz. Auch als Texterin und Komponistin ist Marianne Rosenberg immer wieder in Erscheinung getreten. Inzwischen liegt auch eine Biographie von ihr vor.

Von all den musikalischen Haupt- und Nebenwegen ihres Lebens erzählt das Konzert im Nikolaisaal. Für den früh verstorbenen Freund Rio Reiser schrieb Marianne Rosenberg ein leises, nur von Piano (Wolfgang Koehler), Bass (Johannes Gunkel) und Schlagzeug (Dennis Stilke) begleitetes Lied.

Eingeleitet wird die Reihe der melancholischen Stücke von ihrem Song „Gott, sei dank, ich leb noch“. Schwermütig schmachtend erklingt das Marlene Dietrich-Lied „Leben ohne Liebe kannst du nicht“ und wird zu einer bekenntnishaften Hymne. Mit zurückhaltendem Tremolo und gedämpften Crescendo gibt sie dem Liebespoem „Sag mir wo die Liebe ist“ tiefschwarze Farben.

Ganz berlinerische Diseuse mit tragikkomischem Mundwerk ist sie in „Allet passiert immer nur mir“. Da zwitschert das Saxophon ( Dirk Engelhardt) dazwischen, perlt das Piano, wischen die Besen über die Becken.

Doch Marianne Rosenbergs Stimme ist so stark und kräftig, dass sie besser noch zu klassischen JazzSongs passt. Ein Klassiker wie „As times go by“ groovt schön daher, die Swing-Ballade „You go to my head“ oder auch der Standard „Bye, bye blues“. Bei diesem fetzigen Rock“n Roll Stück mit harter E-Gitarre (Dirk Homuth) und durchdringendem Saxophon leben die fünfziger Jahre auf. Nach dem stolzen Titelsong „I“m a woman“ gibt es schließlich noch eine Reminiszenz an die einstige Schlagersängerin und Hitparadenkönigin.

Doch muss man zugestehen, dass der Schlager „Marleen (eine von uns beiden muss nun geh“n)“ klingt in einer flockigen Jazz-Version sehr viel angenehmer als in der hämmernden Disco-Version von früher. Nein, da ist nichts mehr zum Mitklatschen und Mitwiegen übrig, bei der aktuellen Marianne Rosenberg geht es ums Zuhören. Das gilt für die Musik ebenso wie für die Texte. Mit jeder der drei Zugaben wird es leiser und melancholischer.

Die Zuhörer danken mit großem Applaus für einen nostalgisch schattierten Konzertabend. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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