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Kultur: Nur der Humor

Hans-Jochen Röhrig las Wilhelm Busch

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Diebe hat man früher gehenkt. Einer hing noch, als ein Wanderer auf Pilgrimtour des Weges kam. Voller Mitleid nahm er den Spitzbuben vom Seil, um ihn zu begraben. Doch oh Schreck! der war noch gar nicht tot! Nun wollte er dem Mittellosen aus eignem Beutel Wegegeld schenken. Vergeblich, der Halunk hatte ihn schon längst beklaut - und sich dann aus dem Staube gemacht.

So steht es bei Wilhelm Busch in Bild und Schrift. Man hätte diese und weitere Geschichten schon im Sommer hören wollen, wetterwidrige Umstände hatten es verhindert, dass man sie im Garten las. Am Donnerstag wurde das unter dem festen Dach der Urania nachgeholt. Hans-Jochen Röhrig stand am Lesepult bereit, seinem Publikum gut 60 Minuten der Lebenszeit zu verkürzen. Er hatte seinen Busch nicht nur vor Augen, sondern wohl auch im Herzen. Etliche Stücke trug er genussvoll aus dem Gedächtnis vor, mit sparsamer Mine und passenden Gesten versüßt. Das konnte der Potsdamer Schauspieler schon immer, irgendwer hatte ihn deshalb „Großmeister der kleinen Form“ genannt. Er nun ließ Wilhelm Busch allein durch seine Werke sprechen.

Als Entree ein paar Seiten aus seiner verschnurrter Autobiographie „Von mir über mich“. Da wird nicht nur von selbst gebauten Knallkörpern erzählt, sondern auch von seinem Lebensproblem, das sich in so vielen seiner Geschichten, Balladen und Gedichten spiegelt: Künstler wollte er sein, konnte sich aber nicht zwischen dem Malen und dem Schreiben entscheiden. Vom Schreiben erhielt er den Reim, von der bildenden Zunft die Karikatur, und das, was man später Comic nennen wird. Von jedem etwas, aber nichts ganz. Es schmerzte ihn sehr, nicht genügend Talent zum „vollwertigen Maler“ zu haben. Wie der nikotin- und alkoholverliebte Künstler das verarbeitete, schildern Geschichten wie „Bählamm, der verhinderte Dichter“ aus dem Jahr 1883 und „Maler Klecksel“ ein Jahr später.

Überhaupt findet man im Werk des bekennenden Junggesellen ungewöhnlich viele Hinweise auf sein Privatleben. In der Tolle von Moritz hat er sich selber verewigt. Der trunkene Poltergeist, welcher Paulinen auf der Treppe nächtens einen Antrag macht, aber nur ein vernichtendes „Ich verachte Ihnen!“ erntet, war er selbst. Man findet ihn in den fabelnden Liebesgedichten als liebestoller Falter seine Blume umschwirrend oder bei Diederich, der seine ferne Angebetete am liebsten als Floh oder wenigstenes als Motte nahe sein möchte.

Wilhelm Busch kannte sich da aus. Man hörte so allerlei aus den Schatzkammern seiner Phantasien, auch jene Erzählung, wo er sich als Eduard im Traume zum Punkt macht, um die verspießte Nachbarschaft auszuforschen. Natürlich kann man die Geschichtchen von Fritz und Ferdinand, vom Feigling, der seine Frau den Fuchs im Hühnerstall erschlagen läßt, um den Pelz selbst zu tragen, von Balduins Zahnweh oder vom gütigen Wanderer mit Lachen quittieren. Aber steckt nicht hinter jedem Gelächter eine hochnotpeinliche Tragödie? Hans-Jochen Röhrig fand sie in der Fabel vom Vogel auf der Leimrute und dem nahenden Kater. Aus Furcht, zu Tode gefressen zu werdern, entschloss sich der Piepmatz, kräftig zu tirilieren, was der Autor mit „Der hat Humor!!“ quittierte. Genauer hätte er seine eigene Lebensposition gar nicht beschreiben können. Leider kam das in der Veranstaltung nicht so heraus. Man schmunzelte und lachte, weil man Busch hier vor allem für einen „Humoristen“ hielt. Gerold Paul

Gerold Paul

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