Kultur: Nur der Teufel ist böser
Martin Buchholz mit neuem Programm im Kabarett Obelisk
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Für Kabarettisten, wie der zum satirischen Urgestein Berlins gehörende Martin Buchholz, müssten die Zeiten eigentlich recht fruchtbar sein. Große Koalition, Vogelgrippe und Fußballweltmeisterschaft. Diese Themen sind Steilvorlagen. Je größer die Krise im Land und in der Welt, desto besser für politische Schandmäuler wie Buchholz, für die ein Tabu nur die Einladung ist, es zu brechen. Nichts ist heilig. Mit dem Karikaturenstreit, in dessen weltweiten, tumultartigen Folgen Botschaften gewaltsam gestürmt und Menschen in Demonstrationen ums Leben gekommen sind, ist die Welt auch für die Satiriker eine andere geworden. Wo sind die Grenzen des boshaften Witzes?
Buchholz begrüßt sein Publikum im Obelisken mit der Verkündung einer neuen Hausordnung. Wie der Karikaturist lebe auch er „von der politischen Überzeichnung“ und nennt sich selbst gleich „Hassprediger“ und „politischen Ajatollah“ der Satire. Dänen und „märkische Minderheiten“ müssten leider den Saal verlassen, in der Pause würde ausschließlich Deutsch gesprochen. Buchholz lässt sich, nach einem Kalauer über „Allah Anfang ist schwer“ nicht weiter auf religiöse Provokationen ein. Gekonnt führt er den Anfang seines virtuos komponierten Rundumschlags in ihm sicherere Gefilde. Die SPD würde, falls sie bald im Jenseits landen würde, jedenfalls auf keine Jungfrauen treffen, allenfalls auf die „alte Schabracke der Sozialdemokratie“.
„Freiheit für Angela“ heißt sein Soloprogramm. Es muss schon Zuneigung sein, so leidenschaftlich wie sich Buchholz der „Meck-Pomm Domina“ widmet. Kohl habe sie seinerzeit für sein Kabinett entdeckt, als er sie in den „uckermärkischen Auen“ habe „grasen sehen“. Als Umweltministerin eine „gnadenlose Fehlbesetzung“. Die „Schleimspur“, die Merkel damals bei Bush vor dem Irakkrieg hinterlassen habe, dürfe man nicht vergessen. Sie habe den Präsidenten beinahe „den Fußpilz zwischen den Zehen weggeleckt.“
Buchholz klingt noch zynischer, er möchte weiter an die Geschmacksgrenze heran als in seinen vorigen Programmen. Würde er nicht mit diesem unglaublichen Tempo durch das Programm eilen, würde er seinen bissigen Pointen nur ein wenig mehr Zeit zum Entfalten geben, man könnte erste Anzeichen von Verbitterung feststellen. Auch Platzeck bekommt Saures. „Brandenburgs Lichtgestalt“, „Eurem Matthias“ attestiert Buchholz „100 Tage Flaumweichheit“. Hört man Buchholz beißende Schmähungen und sieht ihn im Schwarz auf der Bühne, glaubt man ihm die selbst gewählte Rolle des „Satyr“. Nur der Teufel kann noch böser sein. Der bekennende Alt-68er wendet sich sogar von Altkanzler Schröder ab. Nach Ptolemäus und Kopernikus wäre der ein „Solarforscher“, der eine neue Gesetzmäßigkeit entdeckte: „Alles dreht sich um mich.“ Du bist Deutschland, Wir sind Papst, auch Buchholz gerät langsam in eine Identitätskrise. Er sei Frauenversteher, Warmduscher und ja, auch zur größten Perversität bekenne er sich: „Ich bin Berliner“. Einer der üblichen „Schizogermanen“ eben. Nur dass er gleich 82 Millionen Deutsche wäre, ginge zu weit. Auch für Ostdeutsche ende außerdem die Schonfrist. Die einzige Gemeinsamkeit von Ossis und Wessis wäre der Sprung in der Schüssel, der „germanische Ursprung“ sozusagen.
Buchholz’ Spott war selten so zerstörerisch. Er trifft die Wahrheit beängstigend genau. Das Publikum geht lachend mit ihm und denkt, dass es schlimm stehen muss, wenn schon solche brachialen Mittel eingesetzt werden. Nur die Realität, die ist immer noch ein Stück brutaler als Buchholz. Matthias Hassenpflug
Matthias Hassenpflug
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