zum Hauptinhalt
Zirkus als Stil. Sängerin Gabby Young überzeugte durch ihr Outfit.

© Promo

Kultur: Nur optisch ein echter Swing-Zirkus Gabby Young & Other Animals im Nikolaisaal

Wer auf eine richtige Swing-Party geht, sollte sich an den Dresscode halten. Bequeme Schuhe sind Grundvoraussetzung, um entspannt tanzen zu können, und wer es ganz richtig machen will, der bevorzugt die Garderobe der 40er-Jahre, als Swing seine Blütezeit erlebte: Kleider, Westen, Nadelstreifen.

Stand:

Wer auf eine richtige Swing-Party geht, sollte sich an den Dresscode halten. Bequeme Schuhe sind Grundvoraussetzung, um entspannt tanzen zu können, und wer es ganz richtig machen will, der bevorzugt die Garderobe der 40er-Jahre, als Swing seine Blütezeit erlebte: Kleider, Westen, Nadelstreifen. Oder gleich so wie die britische Sängerin Gabby Young, die am Samstagabend mit ihrer Band Other Animals im Nikolaisaal zu Gast war: Gabby Young trug ein oranges, schrilles Kleid, das unterhalb der Gürtellinie nur aus monströsen Rüschen zu bestehen schien.

„Circus Swing“ hieß das Konzert, das in der Crossover-Reihe des Nikolaisaals stattfand, und von Zirkus hatte das durchaus etwas. Gabby Young ist ein Paradiesvogel in Pippi-Langstrumpf-Optik, knallrot gefärbte Haare, grazile Bewegungen, Sex Appeal – ein wenig wie die Godmother of Punk Nina Hagen in ihren besten Jahren, bevor diese als verquaste alte Schachtel endete, der niemand mehr zuhören kann. Gabby Young ist davon weit entfernt, sie klingt frisch, und ihre Gelassenheit kokettiert ganz gut mit ihrer Extravaganz.

Das Vergnügen an der Musik merkte man auch der Band an, Violine und Posaune ergänzten die klassische Besetzung mit Kontrabass, Gitarren, Keyboard und Schlagzeug. Gitarrist Stephen Ellis, Partner und Produzent der Sängerin, die ursprünglich mal in den Gefilden der Oper beheimatet war, könnte mit seinem Friedrich-Engels-Gedächtnis-Rauschebart auch einem Western entsprungen sein. Mit Ellis ist sie so innig vereint, dass romantische Momente unvermeidbar sind: Melancholisch-schwelgend sang Gabby Young in seine Richtung, der Song „Male Version of Me“ ist ein Kompliment an seine Adresse: „You're perfect for me“ sind die letzten und markantesten Zeilen. Da musste sich der Rest der Band eben zurückhalten. Auch wenn Gabby Youngs Stimme so kraftvoll ist, dass sie auf ein Mikrofon gut und gern hätte verzichten können, ließ sie auf Kosten des Swing die Performance in den Vordergrund geraten. Schade, denn allzu oft vermisste man den Swing im wörtlichen Sinn als Schwung dann doch etwas, zu sehr schielte Gabby Young auf Pop-Balladen, mit dem Shanty „Another Ship“ etwa, ein Song, der das selige Fernweh der Seefahrer transportiert. So plätscherte das Konzert ein wenig zu sanft dahin, ganz so, als wolle man niemanden mitreißen, sondern nur leicht unterhalten, immerhin sitzt man ja im Nikolaisaal ganz bequem. Ein bisschen mehr Schwung hätte dem Konzert gut getan, die versprochene Zirkus-Atmosphäre blieb blass. Und so schrill die Sängerin auch aussah – ihre Exzentrik blieb letztlich doch nur auf das äußere Erscheinungsbild reduziert. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })