Kultur: „O Haupt voll Blut und Wunden“ Karfreitag in der Friedenskirche Sanssouci
Was bewegt die Menschen eigentlich in der Sterbestunde Jesu, die neunte in der jüdischen Tagrechnung, nach jetzigem Maß nachmittags um Drei, als sich am Hügel Golgatha Donner erhob und der Vorhang im Tempel zerriss? Mitleiden, Furcht und Trauer, oder eher ein Vorgefühl auf die verkündete Auferstehung?
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Was bewegt die Menschen eigentlich in der Sterbestunde Jesu, die neunte in der jüdischen Tagrechnung, nach jetzigem Maß nachmittags um Drei, als sich am Hügel Golgatha Donner erhob und der Vorhang im Tempel zerriss? Mitleiden, Furcht und Trauer, oder eher ein Vorgefühl auf die verkündete Auferstehung? Das Präfix Kar (oder „kara“) vor dem ereignisschweren Datum deutet doch auf Wehklagen hin. In der Friedenskirche zu Sanssouci wurde der „Stille Freitag“ mit großer Beteiligung sehr verhalten begangen. Unter der Leitung von KMD Matthias Jacob präsentierte die Gemeinde erlesene „Musik zur Sterbestunde“, wobei sich der jüngst von ihm gegründete „coro campanile“ erstmals der Öffentlichkeit vorstellte. Tobias Berndt begleitete an der Orgel, spielte aber auch ein sehr langsames und trauernd-getragenes Adagio g-Moll von Albinoni aus dem 18. Jahrhundert sowie Max Regers „Passion“ op. 145.4 solo. Klaus Büstrin las aus dem Johannes-Evangelium, worin die Kreuzigung Jesu eher kurz beschrieben wird, nicht so, wie ein Jörg Zink zuvor das Holz darstellte, als „Schandstück menschlicher Henkersphantasie“, angeblich von den Phöniziern erfunden. Der im 20. Jahrhundert viel gelesene Theologe konnte „in diesem Zeichen“ merkwürdigerweise kein Heil erkennen, was sehr zu bedauern ist, auch in der vorangegangenen „Dornenzeit“ begegnete man ja immer wieder großen Zweifeln aus theologischem Munde. Der musikalischer Introitus war von ziemlicher Schönheit. Ein langer, sehr abgedämpfter Orgelton aus „O bone, o dulcis, o benigne Jesu“ eröffnete drei prachtvolle und klagereiche Motetten von Heinrich Schütz, gesammelt in den „Cantiones sacrae“ von 1625. Der neue Chor präsentierte sich auf der Empore mit guten Männerstimmen und noch etwas unsicheren Sopranen, doch fand man sich in „Deus misereatur nostri“ nach Psalm 67.2 schon gut zusammen. A Capella waren dann Johann Nepomuk Davids „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ und „Herr Jesu, deine Angst und Pein“ von Kurt Hessenberg zu hören, beides im 20. Jahrhundert vertont. Im letzteren, atonal angelegt, war das messa di voce sehr schön gearbeitet. Zwei klar gehaltene Choräle A Capella aus dem Opus 138 von Max Reger folgten, bevor man das kurze „Domine, ne in furore tuo“ von Claudio Monteverdi auf Latein vernahm, kurz und lento, endend mit „heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschrocken“ (Psalm 6). Zum Glockenschlag der vierten Stunde las Klaus Büstrin mit sichtlicher Bewegung das berühmte „Passionslied“ von Paul Gerhardt, weitbekannt durch „O Haupt voll Blut und Wunden“ aus Bachs „Matthäuspassion“. Die gemeinsame Trauer am höchsten Feiertag der evangelischen Kirche endete mit vier Responsorien für die Karwoche von 1611 von Carlo Gesualdo di Venosa. Voller Klang, mehr Kraft im Ausdruck, besonders im „Omnes amici mei“, der Wechselgesang war gut gestaltet. Das Kreuz am Altar, in dem Jörg Zink kein Heil sehen konnte, trug eine Dornenkrone. Still ging man auseinander, während im Gegenzug mit den Touristen „Welt“ in die Kirche strömte. Gerold Paul
Gerold Paul
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