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Kultur: Obeliske Ost-Reprise ohne Omen

„Potsdam wie es singt und lacht“: Kabarettisten stellten ihre neue CD live auf der Satirebühne vor

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„Potsdam wie es singt und lacht“: Kabarettisten stellten ihre neue CD live auf der Satirebühne vor Von Gerold Paul Am Samstag nichts Neues vom Kabarett in der Charlottenstraße. Vom Altbarden Hans-Joachim Finke a.G. unterstützt, feierten Gretel Schulze, der nicht so aufgelegte Exil-Sachse Andreas Zieger, die immerkecke Andrea Meissner und der kaum nimmermüde Helmut Fensch das Erscheinen der dritten Obelisken-CD mit einer Nummern-Reprise. Jeckenhaft übertrieben ihr Titel „Potsdam wie es singt und lacht“, als ob es hier etwas zu kichern gäbe. Anderswo spielte also die Musik, in den Gefilden der Bundespolitik (mit manchmal abgetakelten Szenen), bei den gewendeten Altkommunisten in Rehbrücke-Süd, auf den Almhöfen von „Heidi“, in düstren Nibelungen-Gefilden, beim „Schönheitsschlaf“. Etcetera. Nun kann man von einem alten Programm-Mit- und Verschnitt der letzten fünf Jahre nichts Neues erwarten, worin es, oh Herzenslust, dergestalt ostelte, dass die Kabarettisten selbst es bemerkten. Erwarten aber darf man, was jeder bessere Krimi braucht: Kennt man die Lösung, wird mehr auf den Weg geachtet, schließlich steht die Jubiläumsfeier zum 25. Jahr des Kabaretts direktemang vor der Pforte. Was sollte da der Zukunft eine bleiche Vergangenheit, worin die „Ossis“ gleich im Doppelpack als „völlig durchgedreht“ sich präsentieren, mal südländisch-sächsisch, mal mit verschämten Brandenburger Hauch, wo Marx und Lenin neu beschworen und E.H. höchstselbst als Auferstandener über Fleisch vom Schwein sich räuspern durfte. Man gab sich „Alt“, aber wenig weise, tat in neuen „Wörtern“ kramen, tanzte mit charmantem Hüftschwung „Hausfrauenlambada“ und orakelte – schon wieder – über den „Tag, als Walter Ulbricht“ - wie ging das gleich weiter? „Souvenirs“ aus alten Zeiten eben. Ohne Wenn und Omen. Ein vollbesetzter Saal erlebte eine eher müde Reprise als kabarettistische Eintagsfliege, sicher eine von vielen Arten, das Erscheinen einer CD zu begrüßen. Diese war die flotteste und überzeugendste mitnichten. Gretel Schulze und Andrea Meissner fungierten weniger als Stars denn als Zugpferde, damit die Kutsche, wenigstens im letzten Drittel, ephemer ins Rollen kam. Die Herren von der Zunft hingegen hatten es wohl versäumt, vorher ein gutes Glas Frischmilch zu trinken. Das Ganze machte eher den Eindruck eines Verlegenheitsprogramms mit eingeschobenem Akrobatik-Teil für Bühne und Parkett, zum Munter-machen, was tatsächlich gelang. Nett, und jedenfalls von Anfang bis zum Ende eine klare Damenrunde. Die neue CD und das einmalige Bühnen-Begleit-Programm wollten keinen neuen Ossi-Titel, was jedermann versteht. Nun sind Stoiber, Merkel und Clemens weit, doch Knoblich und Platzeck sind nahe. Dass letzterer auf dem Lausitzring Motorrad fährt, hat man schon früher gehört, aber wo war nun Potsdam, wie es singt und lacht? Ein Ortsfremder müsste sich wundern, wie zaghaft die professionellen Satiriker aus der Charlottenstraße mit ihrer Heimatstadt verfahren. Ein Blick in eine bessere Tageszeitung genügte doch, Stoff für ein ganzes Programm zu gewinnen, und der Fremde hätte Gelegenheit, im Kleinen, nach Goethe, das Große zu schauen. Warum nur in die Ferne schweifen, in Preußens Hauptstadt „Spottsdam“ liegt die Satire doch pur auf der Straße! Vielleicht täte man dergestalt sogar dem Publikum einen Gefallen, wer weiß. Oder auch nicht. Der Ossis sind genug gewechselt, nun lasst uns endlich Omen seh“n!

Gerold Paul

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