zum Hauptinhalt

Kultur: Oh, du surreale Weihnachtszeit

Ausstellung der Künstlergruppe Melpomene in der Ateliergruppe Axel Gundrum

Stand:

Ausstellung der Künstlergruppe Melpomene in der Ateliergruppe Axel Gundrum Von Götz J. Pfeiffer Potsdams Weihnachtsmarkt? Er findet derzeit mit der üblich seltsamen Melange von Zuckerwerk und Bratwurst, von Konsum und Kitsch nicht nur entlang deslandeshauptstädtischen „Broadway“ statt. In künstlerischem Gewand ist er auch in drei kleinen Hinterhofräumen unweit des Brandenburger Tors zu finden. In der jüngst eröffneten Ateliergalerie Gundrum zeigt die sechsköpfige „Künstlergruppe Melpomene“, benannt nach der griechisch-antiken Muse der Tragödie, knapp 60 neuere sowie wenig ältere Arbeiten. Vier der Maler stellten während der letzten Jahre bereits verschiedentlich in der Galerie am Neuen Palais aus. Dass die fünf Mannen um den Neu-Potsdamer Axel Gundrum am – bitte schön! – möglichst lukrativen Weihnachtsgeschäft teilhaben möchten, sieht man ihnen einigermaßen gerne nach. Schließlich werben sie um die Aufmerksamkeit ihrer Besucher – und das sind immer auch potenzielle Käufer – mit dem ironisch-imperativischen Ausstellungstitel: „Bilder unterm Tannenbaum“. Aber vor das Schenken hat die Marktwirtschaft das Kaufen gesetzt. Doch glücklicherweise nehmen die sechs malenden Melpomisten es nicht so glühweinernst und spekulationsweich, wie es zur Adventszeit passen würde. Im Vorfeld der Ausstellung ist eine Sondernummer der „Melpomenischen Weltbühne“, ihrer Vereinszeitschrift, erschienen. Im Untertitel ist diese als „Schild und Schwert des Skurealismus“ bezeichnet. So nennt die 1994 gegründete Gruppe den größten gemeinsamen Nenner ihres Stils. Der sieht bei jedem des malenden Sextetts zwar etwas anders aus, bewegt sich aber, um Schlagworte gleich Grenzpfählen einzurammen, zwischen magischem Realismus und gegenständlichem Surrealismus. Gegenständlichkeit, skurrile Phantasie und ein eigentümlicher Humor heißen die gemeinsamen Pfeiler der Gruppe. Die jetzt gezeigten Werke sind alles andere als adventlich. Thomas Johannsmeier hat für seine Arbeiten in Mischtechnik Figuren aus der spanischen Altmeister-Malerei des 17. Jahrhunderts entlehnt und vor buntfarbige Hintergründe gestellt oder den realistisch gemalten Hund vor ein Bild von Piet Mondrian gelegt. Kunst, Realität und Kunstrealität sind die Punkte seines malerischen Bermudadreiecks. Von Robert Meyer sind einige seiner bis in Details mit spitzem Bleistift ausgestrichelten Zeichnungen zu sehen. Ein Ölbild zeigt, wie er sie farbig umsetzt. Mukthar Hussein, dessen Arbeiten bisher noch nicht in Potsdam gezeigt wurden, hat eigentümlich unbestimmte Tusche-Aquarell-Zeichnungen beigesteuert. Seltsam unentschieden wirken auch die Ölbilder und Bleistiftzeichnungen von Thomas Bühler. Zwar wirkt die Felsenwand mit Tor recht märchenhaft, doch kein Geheimnis, das zu längerem Betrachten motiviert, scheint die schlicht „Das Tor“ betitelte Zeichnung bereit zu halten. Auch mag man den kleinen König vor dem großen Minotaurus bedauern, doch auch hier locken weder die Bleistiftstriche noch der Titel „Kleiner Mann“ Auge oder Phantasie. In gewohnter Qualität und Präsenz stehen die grafischen Acryl-Tusche-Blätter von Hinrich van Hülsen vor Augen. Sie erinnern an Comic-Strips des Kultzeichners Robert Crumb. Doch auch mit Farben und deren Mischung versteht van Hülsen sein Handwerk. Auf dem „Kurzen Weg von Dublin nach Kampala“ sind den Gedanken die geblähten Segel eines Schiffes für die Reise von der irischen in die ugandische Hauptstadt verliehen. Und anhaltend befremdlich – und anregend – wirkt der „Mann mit Löwe“, denn unergründlich scheint, dass das wilde Zotteltier in Hab-Acht-Stellung zu seinem Dompteur in Frack, Zylinder und Gesichtsmaske aufschaut. In dieser Gruppenausstellung geht von den Arbeiten Gundrums, der als Hausherr das meiste zeigt, die größte Anziehung aus. Man muss nicht an den Kennedy-Mord denken, um die Anspannung des Gewehrschützen auf dem Dach zu spüren, die im Bildtitel „Dann wieder diese Ruhe“ kommentiert ist. Solch kritisch-ironisches Beiwerk liefert auf dem Sportbild „Gold für die Sowjetunion“, auf dem ein Zweierbob mit knallroten Rodlern durchs Bild schießt, der goldene Rahmen. Aber warum nur hat Gundrum Langohren gemalt und will den „Nager“ und den „Alten Hasen“ unter den Nadelbaum gelegt wissen? Es gibt nur eine Lösung: Der selbst ernannte „Skurealist“ hat als Erster einen Weihnachtshasen gesehen. Bis 19. Dez. Schopenhauerstr. 15. Do 15–18Uhr, Sa/So 14–18 Uhr.

Götz J. Pfeiffer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })