zum Hauptinhalt

Kultur: „Ohlala Bowop“

Afro-Jazz-Queen Sonja Kandels im Nikolaisaal Potsdam

Stand:

Afro-Jazz-Queen Sonja Kandels im Nikolaisaal Potsdam Wie sanfte Regentropfen erfüllen die zarten Töne, die dem Flügel entsteigen, den Raum. Das Balaphon, ein afrikanisches Xylophon, wirft eine Melodie hinein. Der Kontrabass findet einen Besitzer und wird von diesem zärtlich bespielt. Das Schlagzeug und die Percussion setzen ein. Plötzlich finden alle Instrumente zusammen, harmonieren und bauen ein solides Klang-Fundament für die Sängerin Sonja Kandels. Sie erzählt Geschichten, malt Klang-Bilder und füllt Leere mit wunderbarem Gesang. Worüber sie singt, weiß kaum einer im Saal. Die afrikanischen Sprachen, in denen Kandels die Songs vorträgt, gehören wohl kaum zur linguistischen Allgemeinbildung. Doch die Sprachbarriere wirkt keineswegs belastend, sondern evoziert lediglich das Kopfkino beim Zuhörer. Sonja Kandels wird in einer kleinen Stadt in der Eifel geboren. Nur eine Woche später nehmen ihre Eltern sie mit nach Niger. Ihre Kindheit verbringt sie in Senegal, Kamerun und Afghanistan. Für Sonja Kandels ist es eine Art Kultur-Shopping im Laden der Weltmusik. Zurück in Deutschland absolviert sie ein Kunststudium und bekommt anschließend an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ das Handwerkzeug, um ihre „musikalischen Mitbringsel“ aus Afrika in Musik zu kleiden. Verfechter der strengen Musik-Typologie werden keine Freude an ihrer Musik haben. Zuviele Stile und Einflüsse strömen bei ihr in einen Fluss, der so unberechenbar, wie unergründlich ist. Die Schublade „Afro-Jazz“ sprengt sie mit ihrer Band in nur einer Strophe. Zuweilen treibt sie es noch weiter: den Lockenkopf geneigt, singt Kandels dann verträumt in ihrer eigenen Fantasiesprache. „Das befreit!“, erklärt sie. Während ihrer Ansagen wirkt sie schüchtern, verhaspelt sich und lacht unsicher. Aber die Musik lässt sie aufblühen. Metamorphisch entfaltet sie sich, wie eine Blume im Regen, nimmt sie die Musik auf und verströmt ihren zarten Gesang. Die Rhythmusgruppe tritt in einen fruchtbaren Dialog mit Mark Reinke am Klavier, der leichtfingrig über seinen Steinway-Flügel huscht. Begeisterung im Publikum lösen auch immer wieder die beseelten Soli von Aly Keita am Balaphon und Samba Sock am Talking Drum aus. Sicher und selbstbewusst schlendert Kandels mit ihrer Band über Genre-Grenzen. Die raumerfüllende Klangvielfalt wird aufgebrochen durch Parts, in denen nur das Schlagzeug leise vor sich hintickt. Mystische Reduktion, um kurz darauf wieder in eine Up-Tempo-Nummer zu gleiten. Die Zuschauer bekommen am Schluss auch die Chance, ihre Kollektiv-Stimme zu präsentieren. „Oh Lalala“, der Männer- und „Bowop“, der Frauenpart, schallen durch das Foyer. Die Stimmgewalt der Protagonistin auf der Bühne wird zwar nicht erreicht, aber Spaß macht es trotzdem. Christoph Henkel

Christoph Henkel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })