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Kultur: Ohne Blasen

Der Kleinmachnower Künstler Rainer Ehrt hat den Grand Prix der Cartoonisten gewonnen, jetzt stellt er in Potsdam aus

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Er braucht keine Sprechblasen. Seine Cartoons sprechen selbst. Sie kritisieren, verhöhnen, spotten. Der Künstler Rainer Ehrt sagt, er beginne nicht eher zu zeichnen, bis er den doppelten Boden gefunden hat, der sein Bild auch ohne Wörter trägt. Manchmal muss dieser Boden einen ganzen schweren Turm aushalten. Wie im Cartoon „Turmbau zu Brüssel“: Ehrts Turm besteht aber nicht aus Steinblöcken wie sein babylonisches Pendant, sondern aus Schreibtischen. Ein Kran liefert sie gleich samt Abgeordneten an.

Ehrts kritische Position zu Europa erklärt sich auf den ersten Blick: „Ich bin gegen diese Überhebung, gegen diese Hybris.“ Und doch steckt sein Werk voller liebevoller Details – die kleinen leuchtenden Europa-Fähnchen auf den Schreibtischen, das Flugzeug am Himmel, die Silhouette der belgischen Hauptstadt, in der die einzelnen Gebäude feinstrichig gezeichnet sind. Die Abendsonne taucht sie in ein goldenes Rot. Ein Lichtstimmung wie in einem französischen Film. Die ist fast allen Cartoons Ehrts eigen. Sie ist so etwas wie sein Markenzeichen. Er mischt sich die Tuschen selbst – „nach Geheimrezept“.

Ehrts Bilder haben nichts von schnell dahingestrichelten Zeitungs-Cartoons. Er benötigt eine Woche, bis er ein Bild im Kopf entwickelt, auf dem Papier gezeichnet und ausgemalt hat. Er spricht darum lieber von „satirischer Graphik“. Dazu passt, dass seine Cartoons bei aller Ironie immer eine gewisse Ernsthaftigkeit in sich tragen, eine gewisse Schwere. Sie erscheinen auch nicht in Zeitungen, sondern in Zeitschriften. Im „Cicero“ zum Beispiel oder regelmäßig im Eulenspiegel, wie der „Turmbau zu Brüssel“. Für diesen Cartoon hat Ehrt dieses Jahr den „Grand Prix“ beim World Press Cartoon gewonnen, den die portugiesische Gulbenkian Kultur-Foundation seit vier Jahren vergibt. Mit 20 000 Euro ist dieser Preis dotiert. Aus rund 3000 Künstlern weltweit hat die Jury ihn ausgewählt. Ehrt will das Geld vor allem in die Altersvorsorge stecken. Als freischaffender Künstler müsse er mit 48 Jahren langsam daran denken.

Mit seiner Frau, der Spielzeug-Designerin Julia Ehrt, lebt und arbeitet er seit Ende der 80er Jahre in Kleinmachnow. Der Thüringer hatte die gebürtige Kleinmachnowerin in Halle während des Studiums auf der Kunsthochschule Burg Giebichenstein kennengelernt.

Nach dem Studium malte Ehrt zunächst Plakate für das Hans-Otto-Theater, bis es das Geld für einen Theatermaler einsparte. Die heutigen Plakate entstehen am Computer. Pech für das Theater, findet Ehrt: „Die Plakate schrecken einen ab, ins Theater zu gehen. Die Plakatkultur ist ein Elend.“ Es fehle ihr an allem, was wichtig ist: „die graphische Idee, die kommunikative Idee, die graphische Form, eine gute Schrift“. Auch wenn er in seinen Cartoons auf Sprechblasen verzichtet, Schriften liebt er trotzdem. Seinen Werken sieht man das an. Die kunstvoll gestalteten Titel sind meist Teil des Bildes. Nicht nur in seinen Cartoons, auch in seinen Illustrationen und in seinen Brandenburg-Bildern. Landschaften hat er gemalt, immer wieder die Parks. Anders als seine Cartoons wirken diese Bilder leicht, Gebäude scheinen zu tänzeln, wie die „Große Neugierde“ an der Glienicker Brücke auf der gleichnamigen Tuschzeichnung. Und fast immer steckt ein kleiner Witz in ihnen: Zwei menschliche Schatten auf der Mauer der „Großen Neugierde“ – höfische Spaziergänger, die sich den neuesten Tratsch zuflüstern?

Ab kommenden Sonntag sind Ehrts Brandenburg-Bilder in Potsdam im Kunst-Kontor zu sehen. „Preußischer Frühling II.“ heißt die Ausstellung, die Galeristin Friederike Sehmsdorf in der Bertinistraße 16 B zeigt. Neben Ehrts Werken sind auch Gemälde der Potsdamer Künstlerin Julia Theek und des Malers Nicolaus zu sehen.

Juliane Wedemeyer

Die Ausstellung „Preußischer Frühling“ im Kunstkontor ist bis zum 21. Juni Di und Mi von 15 bis 19 Uhr, Do bis 22 Uhr und Sa von 13 bis 18 Uhr geöffnet.

Juliane Wedemeyer

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