Kultur: „Ohne Wein sind Birnen Gift “
„Beste Birnen bei Hofe“ im vacat-Verlag
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„Beste Birnen bei Hofe“ im vacat-Verlag Wer hätte das gedacht: Es gibt viel mehr Sorten Birnen als Äpfel. Auch in ihren Geschmacksnuancen weisen sie eine größere Vielfalt auf. Allerdings kann man Birnen nicht so gut lagern, triumphiert wiederum der Apfel. Aber da man Birnen ohnehin nicht mit Äpfeln vergleichen sollte – wie ein altes Sprichwort besagt – steht jede Frucht unangefochten für sich. Und so stimmt die neueste Ausgabe der „Potsdamer Pomologischen Geschichten“ nun nach „Kirschen für den König“, „Äpfeln fürs Volk“ und „Melonen der Monarchen“ endlich auch ein Hohelied auf „Beste Birnen bei Hofe“ an. Der Bogen des Obstkunde-Autorenquartetts Lutz Grope, Marina Heilmeyer, Gerd Schurig und Clemens Alexander Wimmer ist weit gespannt: Schon ihr Ausflug in die Geschichte bringt Interessantes zu Tage. Bereits im 3. Jahrhundert vor Christi werden zehn verschiedene Sorten kultivierter Birnen aufgezählt, die als Vorrat getrocknet, zu Wein verarbeitet, gekocht und auch als Arznei verwendet wurden. Doch zur Vorsicht gemahnt ein Lehrgedicht für Mediziner: „Es trägt unsere Birnen der Birnbaum,/ aber ohne Wein sind Birnen Gift;/ Wenn die Birnen Gift sind, sei der Birnbaum verdammt!/ Indem man sie kocht, sind Birnen ein Gegengift,/ nur roh sind sie giftig:/ Roh beschweren sie den Magen, /aber gekocht heben sie die Beschwerden wieder auf.“ Eindeutiger in seiner Empfehlung ist der Theologe Albertus Magnus, der 1200 die „süße Natur“ des Birnbaums zur Anlage von Lustgärten wärmstens empfiehlt. Er täte mit seinem angenehmen Schatten dem Menschen Gutes, im Gegensatz zu den „bitteren“ Bäumen der Walnuss, dessen Schatten beim Menschen Schwächezustände hervorrufen könne. Auch in der Kunstgeschichte kommt man nicht an der Birne vorbei: Sie versteht sich als Zeichen der Fruchtbarkeit und dient auch als Hinweis auf die Menschwerdung des Gottessohnes. In unseren Breiten gibt es wohl kaum einen Obstgarten ohne die wohlschmeckende Frucht. Aber auch die Wildbirnen – Kniddeln oder Koddeln genannt – haben ihre Liebhaber: Sie dienen dem Wild als Nahrung oder finden sich als Flöte, Druckstock oder Obstpresse wieder. Gelangen sie nicht unters „Messer“, darf man sich an ihr reines weißes Blütenkleid oder an ihr leuchtend rotes Herbstlaub erfreuen. Und natürlich kommen die Autoren auch nicht an Fontanes in Worte gemeißeltes Denkmal vorbei: An Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, in dessen Garten ein Birnbaum stand. Das im vacat Verlag sehr liebevoll auch als Augenschmaus serviertes „Birnenallerlei“ ist mit Sprichwörtern wie „Wer Birnbrot schon vor Weihnachten ißt, bekommt Eselsohren“, gespickt; geht aber auch ins Fachliche. Der Leser erfährt mehr über Obstpyramiden in Sanssouci, Birnen am Spalier oder die Königliche Landesbaumschule Potsdam. Dem 20. Jahrhundert ist nur eine letzte Seite gewidmet: Kein Wunder, findet man von den 480 Birnensorten, die Lenné allein in Potsdam kultivierte, heute nur noch eine spärliche Auslese. Gerade mal fünf Sorten erspähten die Autoren auf dem Markt am Bassinplatz anno 2003. Aber es gibt einen Lichtblick: In der Kolonie Alexandrowka wurden 67 Birnensorten neu gepflanzt. Darauf einen „Williams Christ“. H. Jäger
H. Jäger
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