zum Hauptinhalt

Kultur: Ohrengefällig

Potsdamer Kantorei singt „Gloria“-Vertonungen

Stand:

Der Ausgangspunkt für das jüngste „Vocalise“-Konzert in der Erlöserkirche war klar: von Lob und Ehre Gottes ausgiebig zu künden. Doch wie dabei einen Dialog im engeren Sinne, mit These und Antithese, führen?! So blieb es eher bei einem Gedankenaustausch auf durchweg lebensfreudigem, stilistisch unterschiedlichem, jedoch nie gegensätzlichem Niveau. Wobei der Lobgesang „Gloria in excelsis Deo“ überwog. Dazu hatten sich unter Leitung von Ud Joffe die Potsdamer Kantorei, das Neue Kammerorchester Potsdam und die Sopranistin Esther Hilsberg zu einer vorzüglich harmonisierenden Musiziergemeinschaft zusammengefunden.

Anfang und Ende bilden die für den Konzertsaal bestimmten Vertonungen des altchristlichen Hymnus durch Francis Poulenc (1899-1963) und John Rutter (geb. 1945). Beide kompositorischen Deutungen befleißigen sich eines eher respektlosen denn demutsvollen Umgangs mit dem Text. Beschwingt und gar nicht feierlich beginnt Poulenc seine göttliche Ehrerbietung, kraftvoll von den frischen, sauber intonierenden, sehr beweglichen und präzise zusammenklingenden Kantorei-Stimmen ausgebreitet. Die pure Hörfreude. Sie steigert sich im zweiten Satz „Laudamus te“, dessen synkopierte Rhythmen von einem höchst irdischen, nahezu kindlich-naiven Vergnügen erzählen. Dieser tänzerische Gassenhauer missfiel seinerzeit vielen Kritikern, denen der Komponist entgegnete, er habe beim Komponieren an fußballspielende Benediktinermönche und Engel mit herausgestreckter Zunge gedacht. Lustig und volksnah geht es auch im vierten Satz zu. Die verinnerlichten Anrufungen im „Domine Deus“ und das „Agnus Dei“ singt Esther Hilsberg mit vibratoarmer, gradlinig geführter Stimme sozusagen als Verkündigerin von der Kanzel herab. Die Leichtigkeit und Klarheit ihres Soprans verschmilzt mit der des Orchesters auf höchst angenehme Weise.

Populärmusikalische Zutaten sorgen auch in Rutters „Gloria“-Vertonung für viele ohrengefällige Überraschungen. Hell klingt der Chor, strahlend das Blech – in den Ecksätzen gibt es mancherlei synkopierte Herrlichkeit und wenig „heilige“ Klänge zu hören. Er mache, so Rutters, „einen ziemlich freudigen Krach für den Herrn“. Davon hebt sich der weich gefärbte, elegisch tönende „Domine Deus, Rex caelestis“-Mittelteil ab.

Statt lyrisch-sentimentaler Gefühle beherrscht ein durchweg lapidarer, motorisch modifizierter Gestus Igor Strawinskys „Psalmensymphonie“, die Joffe passenderweise zwischen die „Gloria“-Beiträge postiert hat. Seine knappe, präzise Zeichengebung entspricht dem Ausdruck des dreisätzigen Werkes, dessen sinfonischen Anspruch und Spannungsbogen er überschaubar mitzuteilen versteht. Ausgangspunkt dieser sakralen Weltmusik ist ein Gebet um Erhörung (Psalm 38), dem der Doppelfugen-Dank (Psalm 39) und die marschartige Lobeshymne (Psalm 150) folgen. Bewegt sich der Chor auf Pianissimo- bis Fortepfaden, klingt er vorzüglich. Darüber hinaus wird leider forciert, hört es sich spröde an, kommen die Männerstimmen rasch an ihre Grenzen, scheint der Klang nur noch tönend bewegte Masse. Dennoch ist der Mut der Kantorei zu bewundern, das anspruchsvolle, von Bläsern dominierte Lob Gottes aufgeführt zu haben, auch wenn sich die schwebende Klangstruktur nicht immer einstellen mochte.

Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })