zum Hauptinhalt

Kultur: Old School

Kabarettwoche im Obelisk: „Die Distel“ aus Berlin

Stand:

Kabarettwoche im Obelisk: „Die Distel“ aus Berlin „Popo-popo-popo-Rastamann, zeigt was Populismus alles kann." Zwei erwachsene Herren und eine Dame stehen am Rand der Bühne, machen, begleitet von Klavier und Schlagzeug, dem Alter ungemäße Tanzbewegungen und singen freche Lieder. Dagmar Jaeger, Michael Nitzel und Stefan Martin Müller des Ostberliner Traditionskabaretts „Distel“ präsentieren ihr Programm „Wenn der Thierse 2 x klingelt" in bewährter wechselseitiger Abfolge von Sketchen und Musikeinlagen. Schwer zu sagen beim Blick auf den Altersdurchschnitt des Publikums, ob das gute alte Kabarett boomed. An diesem ausverkauften Abend lieferte man sich jedenfalls um die letzten Karten schnippische Wortgefechte mit einer Inbrunst, die man sonst nur von Teenagern kennt, die auf ein Robbie Williams Konzert wollen. Ensemblekabarett wie das der Distel bietet gepflegte Abendunterhaltung, das sich weitgehend an das systemübergreifend erprobte Referenzschema von denen „da oben" und uns, dem „kleinen Mann", hält. So fehlt der in eine Gesangseinlage eingebaute, anscheinend einzig mögliche Reim auf den Namen der CDU-Bundesvorsitzenden garantiert nicht: Ferkel. Die Probleme eines solchen Kabaretts à la „old school" beginnen genau dort, wo diese Analogie endet: in Harm- und Folgelosigkeit. Michael Nitzel nahm die Rolle des Fußballtrainers des Bundestages an, in der er seine imaginäre Mannschaft dirigierte: „Westerwelle", brüllte er, „geh“ an den Mann ran." Was folgt, ist ein müder Hieb in die ausgewetzte Scharte des Schwulenwitzes: „Mensch Westerwelle, aber nicht wie Du denkst." Das Ganze scheint um den Kalauer „Trittin, tritt ihn!" geschrieben zu sein. Das Volk, wenigstens der Teil davon, der nicht in das politische Kabarett geht, sei dumm („20 Prozent der Deutschen hält das Amt des Bundestrainers für das höchste Staatsamt"), Politiker lügen bei Christiansen und die Abgeordneten in Berlin seien ahnungslos und faul. Dass Stefan Martin Müller in einem Sketch einen verfressenen SPD-Hinterbänkler spielt, der von seinem Banknachbarn mit Papierkügelchen geärgert wird, könnte daran liegen, dass Martin Maier-Bode als Regisseur und Co-Autor für das Programm verantwortlich war. Er ist u.a. auch als „Headwriter" für die Sesamstraße bekannt. Die kindliche Spiellust von Stefan Martin Müller ist es jedoch, die einen Aufbruch signalisiert. Ob er nun den Lehrer Linskötter mimt, dem seine Schüler im Kölner Dom zurufen: „Ey, da oben hängt Tarzan!" oder ob er brillant den Dieter Bohlen von „Deutschland sucht den Superkanzler" gibt. Immer wieder muss er selbst schmunzeln, was dem zuweilen unerträglich politisch-korrekten Impetus der Botschaft („Gehen Sie wählen!") die Moralinsäure nimmt. Müller spielt seine älteren Bühnengenossen schon mit seiner selbstironischen Mimik an die Wand. Davon will man mehr sehen, es könnte eine „New School" begründen. M. Hassenpflug

M. Hassenpflug

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })