Kultur: Oper light im vollmundigen Sound Gastspiel aus Cottbus mit „Die Rheinnixen“ im HOT
Endlich ist die Zeit der Einakterei vorbei. Die Direktion der von ihm gegründeten Bouffes-Parisiens niedergelegt, kann Jacques Offenbach seine Freiheit als Komponist genießen und größere Pläne schmieden.
Stand:
Endlich ist die Zeit der Einakterei vorbei. Die Direktion der von ihm gegründeten Bouffes-Parisiens niedergelegt, kann Jacques Offenbach seine Freiheit als Komponist genießen und größere Pläne schmieden. Beispielsweise ein mehraktiges Bühnenwerk schreiben. Die Wiener Hofoper bestellt es, 1864 wird seine große romantische Oper „Les Fées du Rhin“ (Die Rheinnixen) uraufgeführt. Ein Renner wird die Produktion jedoch nicht: Nach nur acht Aufführungen verschwinden die durchkomponierten „Rheinnixen“ in der Versenkung. Liegt es an der zuweilen klangschwülstigen Vertonung? Oder dem Sujet des Pfälzer Ritteraufstandes 1522 mit allerlei familiären Verstrickungen: einer einst von einem Adligen geschwängerten Pächterin nebst späterer Folge, die sich als ein liebestreues, plötzlich scheintotes Mädchen herausstellt, eines von Gedächtnisschwund gebeutelten Geliebten, weiteren Zufälligkeiten und vaterländischen Hurragesängen?!
An der Weiterverbreitung der quellenkritischen Neuausgabe hat das Staatstheater Cottbus einigen Anteil, das das Bühnenwerk in einer halbszenischen Aufbereitung (Martin Schüler) herausbrachte und nun bei einem zweitägigen Gastspiel im Hans Otto Theater vorstellt. Auf der Vorbühne: zahlreiche höhengestaffelte Treppenpodeste, darauf und davor Notenpulte. Nachdem der Vorhang nach oben entschwebt, sieht man hinter einer Gaze die Musiker sitzen, die unter der Leitung von Reinhard Petersen klangschmelzend die Ouvertüre spielen. Nanu, das ist doch der Barcarolen-Hit aus „Hoffmanns Erzählungen“! Er erklingt im Laufe der über dreistündigen Aufführung mehrmals, erweist sich dann als Verführungslied der Nixen. Im Hintergrund dräut gemalte Burgruinen- und Mondscheinromantik (Ausstattung: Gundula Martin). Mit dem letzten Ton des dramatische Verwicklungen ankündigenden Entrees hebt sich die Gaze.
Die Theaterchoristen nebst Herren des Ernst-Senff-Chors Berlin, im schwarzen Konzertoutfit, Klavierauszug unterm Arm und insgesamt zuständig für Bauern, Winzer, Landsknechte, Elfen und Nixen, betreten die karge Szene. Kraftvoll tönt ihr Erntedank- und Lobgesang, bald martialisches Kriegsgeschrei (Einstudierung: Christian Möbius). Dann immerzu: Abgang, schneller Auftritt, Aufstellen in Positur, abruptes gemeinsames Drehen zum Publikum bzw. zu den Solisten und Singen vom Blatt – so also sieht sich Oper light an. Nacheinander geben sich die Protagonisten in Frack oder großer Abendrobe die Ehre, legen Klavierauszüge auf die verstreuten Notenständer, die sie requisitengleich hin und her tragen – was sehr putzig aussieht – um bei ihren partnerschaftlich überzeugenden Spielaktionen die Lesehilfen stets parat zu haben.
So können sie sich auf sicheres Singen konzentrieren. Allen voran Andreas Jäpel, der mit markanter Baritonintensität dem rabiaten Truppenchef Conrad von Wenckheim glaubhafte Kontur verleiht. Jägerbursche Gottfried findet in Tilmann Rönnebeck bassprofunde Verkörperung. Die stets besorgte Pächterin Hedwig darf sich bei Mezzosopranistin Carola Fischer gut aufgehoben fühlen, der allerdings die Höhe zuweilen sehr unbequem liegt. Anna Sommerfeld als Tochter Armgard bezaubert durch ihren lieblichen lyrischen Koloratursopran, ihre anmutige Erscheinung. Ihren geliebten Franz Waldung singt Jens Klaus Wilde mit unruhig geführtem, höhenunsicherem Tenor. Auf Offenbachs Witz und Esprit muss man, bis auf ein couplethaftes Gold-Terzett, leider verzichten. Trotz aller verdienstvollen Wiederbelebungsversuche: sein Metier war die Oper nicht. Dennoch rührten die Potsdamer fleißig die Hände.
Peter Buske
Wiederholung heute, 19.30 Uhr, Hans Otto Theater.
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: