Kultur: Operetten-Rarität am Pfingstsonntag im Nikolaisaal
„Ich kenne nur gute oder schlechte Musik“, bemerkte der Operettenkomponist Franz Lehár einmal lakonisch – und fügte ganz unsentimental hinzu: „Erstere lebt weiter. Letztere stirbt an der eigenen Unzulänglichkeit.
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„Ich kenne nur gute oder schlechte Musik“, bemerkte der Operettenkomponist Franz Lehár einmal lakonisch – und fügte ganz unsentimental hinzu: „Erstere lebt weiter. Letztere stirbt an der eigenen Unzulänglichkeit. Wenn meine Werke nicht die Kraft haben, dereinst die Richtigkeit meiner Überzeugung zu erweisen, dann war eben meine ganze Arbeit, all mein Schaffen vergebens.“ Einige wenige der insgesamt 34 Lehár’schen Operetten (einschließlich mehrfacher gründlicher Neubearbeitungen) haben bis heute überlebt: etwa „Die lustige Witwe“ (1905) oder die tragische Operette „Das Land des Lächelns“ (1929). Doch was ist mit den vielen anderen Bühnenwerken dieses berühmten Protagonisten der Wiener Operette? Gehören sie, weil nicht mehr gespielt, musikalisch zur zweiten Garnitur?
Wohl kaum, betrachtet man etwa eine der vielen mittlerweile gänzlich vergessenen Lehár-Operetten: „Die blaue Mazur“. Auf der Uraufführungsbühne (dem Theater an der Wien, wo der Zweiakter 1920 herauskam) erzielte sie en suite über 300 Aufführungen. Nicht nur an vielen deutschsprachigen Bühnen wurde das Stück zunächst nachgespielt. Mehr als 70 Jahre verschwand das Werk dann jedoch in der „Versenkung“ – die Gründe dafür sind sicher vielfältig, liegen aber keinesfalls in der unstrittigen musikalischen Qualität der Partitur. „Die blaue Mazur“ teilt im Grunde das Schicksal Hunderter Operetten, die nach dem Zweiten Weltkrieg u.a. Opfer der erstarkenden Musical-Konkurrenz wurden. Man kann den allgemeinen Niedergang eines Genres beklagen, man kann ihm aber auch beherzt etwas entgegensetzen – so wie es das CD-Raritäten-Label cpo seit Jahren tut: mehrere der Lehár''schen Operetten sind hier bereits eingespielt worden. Nun kommt „Die blaue Mazur“ hinzu – die Ergebnisse dieser verdienstvollen Wiederbelebung sind am Pfingstsonntag ab 16 Uhr in einer konzertanten Darbietung mit Dialogen im Nikolaisaal Potsdam zu erleben. Unter der Leitung von Frank Beermann musiziert das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt gemeinsam mit Gesangssolisten und dem Kammerchor der Singakademie Frankfurt.
Worum geht es? Wir schreiben das Jahr 1920. Der polnische Graf Julian Olinski feiert in seinem Schloss prunkvoll Hochzeit mit der Wiener Gräfin Blanka von Lossin. Doch noch ehe die letzten Gäste gegangen sind, macht sich die Braut, tief gekränkt, davon. Sie hat vom ausschweifenden Vorleben ihres Gatten erfahren, das er auch künftig fortzuführen gedenkt. Das fängt ja gut an - findet aber nach viel Herz, Schmerz und Eifersucht tatsächlich ein versöhnliches Happy End. In der blauen Mazur, jener Mazurka, die man nach durchtanzter Nacht nur mit der Frau fürs Lebens tanzt, erobert der inzwischen geläuterte Graf Julian das Herz seiner Wiener Gräfin endgültig. Und gewiss auch das vieler neuer und alter Potsdamer Operettenfans. A.W.
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