Kultur: Optisch-akustische Sinneseindrücke
Finissage der Ausstellung „Von der Natur des Menschen“ auf der Freundschaftsinsel
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Finissage der Ausstellung „Von der Natur des Menschen“ auf der Freundschaftsinsel Man muss nicht bibelfest sein, um vom Sehen eine Verbindung zum Hören, von der einen Wahrnehmung eine Brücke zur anderen zu schlagen. Man wird auch so auf die sprichwörtlichen Augen, die nicht sehen, die Ohren, die nicht hören, kommen. Für die Finissage der nun beendeten Ausstellung „Von der Natur des Menschen - Photographie“ hatte sich der Potsdamer Kunstverein vorgenommen, seinen Zuschauern und Zuhörern die Augen und Ohren zu öffnen. Auf der Freundschaftsinsel, unweit des Ausstellungspavillons, gab es auf der Freilichtbühne bzw. im Inselcafé Aufführungen von projizierten Fotografien zu Musik. Die jeweils 15 Minuten langen optisch-akustischen Kombinationen hatten eine komplizierte Entstehung hinter sich. Man hätte es weder vermutet, noch merkte man es der Aufführung an. Am Anfang hatten die fotografischen Arbeiten gestanden. Auf dieser optischen Grundlage wurden Kompositionen geschaffen, für jeden Fotografen eine. Nach dieser Musik wiederum, die in der Aufführung als fertiges Produkt zugespielt wurde, stellten die Fotografen die Abfolge ihrer Fotos zusammen, die vom Geltower Mathias Marx, selbst an der Ausstellung beteiligt, zu einer Bilderfolge im Computer programmiert wurden. Aufgeführt wurden eingespielte Musik und Fotos parallel. Die vier Musiker des Vorfloor-Quartetts, das sich Ende 2002 in London gründete, spielten dazu auf ihren akustischen und elektronischen Instrumenten. Ihrer komplizierten Genese angemessen war auch die Aufführung zunächst einmal eine Inszenierung von vielerlei Technik. Video-Beamer, Computer-Screen und PC-Tower, akustische, aber auch vielerlei elektronische Instrumente: Schlagzeug (Guy Cooper), Electronics (Andrea Rocca), Electronics, Gitarre, Stimme (Gareth Mitchel), Flöte, Saxophon, Stimme (Thomas Kumlehn). Auf der weiten Freilichtbühne erklangen die Stücke von Guy Cooper zu den Arbeiten von Matthias Marx und von Andrea Rocca zur Fotofolge der Kölnerin Bettina Bormanns. Aufgrund des kühlen Wetters verlegte man die zweite Veranstaltung in den Gastronomie-Pavillon, kamen die Kompositionen von Thomas Kumlehn zur Bilderfolge von Monika Schulz-Fieguth, von Gareth Mitchell zu den Arbeiten von Shahny Raitz von Frentz zu Gehör. Mit lang und immer wieder gezeigten Aufnahmen einer Hand und von Bäumen im Schnee wurden die Zuschauer meditativ auf die Arbeiten der Potsdamerin Monika Schulz-Fieguth eingestimmt. Die aus wiederholten Klangfetzen gefügte Musik Kumlehns unterstrich diese Stimmung. Sie half ein Stück weit, sich auf die sensible Fotografie der Potsdamerin einzulassen. Zu unterscheiden, welche Töne eingespielt, welche im Moment zugefügt wurden, war allerdings nicht. Alle Klänge drangen elektronisch verstärkt aus den Lautsprechern. Warum dann überhaupt life gespielte Musik? Warum nicht allein vorgefertigte Klänge? Eine Antwort war nicht zu finden. Im glücklichsten Fall erreichte die Musik, den Besuchern die Ohren und die Augen zu öffnen, sie auf akustischem Weg auch für die optischen Sinneseindrücke empfänglich zu machen. Hinter seiner hoch gegriffenen Absicht „die künstlerische Arbeit der vier Photographen zu erhellen und deren künstlerische Wahrnehmung bzw. Aneignung visuell und akustisch einem interessierten Publikum zu verdeutlichen“, so die Presse-Information der Veranstalter, blieb dieser durchaus ungewöhnlichen Seh-Hör-Genuss aber zurück. Es gab mehr als einen Besucher, der unzufrieden war. Manchem blieb die Aufführung unverständlich. „So ein Schwachsinn“, „wie langweilig“ war in den musikalischen Pausen aus dem Publikum zu hören. Noch weniger ergab sich ein Zugang zur Kombination aus den Bildern der Londoner Fotografin Frentz und der Musik Mitchells. Die Fotos von jungen Menschen einer ominösen „Neuen Generation“ waren gut inszeniert. Und wurden die heranwachsenden Grosstadt-Heroen in der Ausstellung vor weißer Wand und Beischriften ihres Idols oder Lebensstils gezeigt, waren sie nun in ihrer Umwelt zu sehen. Doch leer wie ihre offenbar Sinn suchenden Augen, aus denen zuweilen Selbstbewusstsein und Trotz zu lesen waren, erschienen die eingenommenen Posen. Sie wirkten so vorgespielt und unecht wie die Inszenierung mit den Idolen: der amerikanischen Pin-Up-Queen Betty Page aus den 60er, der englischen Punk-Band Sex Pistols aus den 70er oder der New Wave-Combo Cabaret Voltaire aus den 80er Jahren. Simulation und Recycling wehen offenbar durch diese Generation, die auch schon als verlorene bezeichnet wurde. Die stark rhythmisierte Musik Mitchells machte schlicht aggressiv, ließ alle Sinne des Zuhörers eine Abwehrhaltung einnehmen. Den Fotos von Frentz, die auch für „Stern“ und „Allegra“ arbeitet, waren diese Klänge nicht akustische Ergänzung, sondern abschreckende Disharmonie. Über solcherlei Hören verging im Publikum das Sehen und die Lust auf mehr. Viele verabschiedeten sich vor dem Schluss. Götz. J. Pfeiffer
Götz. J. Pfeiffer
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