
© Andreas Klaer
Kultur: Orient und Okzident in einem Fluss
Gelungener Auftakt mit Olivinn bei „Aufgemischt“
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Mit dem schrillen Schrei der Zurna sollte die Stimmung dieses Samstagabends wechseln. Das ostasiatische Instrument, mit seinen 5000 Jahren höchstwahrscheinlich der Urgroßvater aller Doppelrohrinstrumente, wurde traditionell auf anatolische Hochzeiten gespielt. Sein lauter Ton lag im Foyer des Nikolaisaals wie ein Achtungszeichen, wie ein Ausruf in der Luft.
Hatte die Berliner Band Olivinn – Auftaktgast der neuen Reihe „Aufgemischt“ und ein Zusammenspiel aus türkischen, spanischen und deutschen Musikern – vorher noch eher mit traditioneller Instrumentierung ihre grenzüberschreitende Symbiose aus Schubert, Gershwin oder Mussorsky mit anatolischen Volksliedern arrangiert, wurde es jetzt laut, lebhaft und vor allem elektronisch. DJ Ipek Ipekcioglu, eine der angesagtesten DJane der vergangenen Jahre, eine kleine, schmale Türkin mit herben Gesichtszügen, stand hinter ihrem Mischpult und gab der Band eine Auswahl an elektronischen Samples als Vorlage. Ein Klangteppich aus Effektorgel und dumpfen lauten Drums legten der Band einen Hintergrund, den sie mit Klarinette, Schlagzeug, Klavier und Baglama, einem lautenartigen Instrument mit Stahlseiten und ovalem Körper, anreicherten.
Mit diesem Arrangement sollte sich die Grundidee der Reihe, die Fusion der Stile und musikalischen Richtungen – im Fall von ClassicOriental das Verschmelzen von Orient und Okzident – in seiner Vollendung zeigen. Übertroffen wurde es vielleicht nur noch von einem der vorangegangenen Stücke, dem Schubertschen „Leiermann“, von Sinem Altem, dem Kopf der Band, auch liebevoll „Schleiermann“ genannt. Die junge Künstlerin, die bereits mit elf Jahren die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule „Hanns Eisler“ im Fach Komposition/Klavier bestand und für ihre musikalische Arbeit bereits mit Preisen überhäuft wurde, hatte sich hier den Schubert-Text vorgenommen, mit einem Volkslied aus Anatolien kombiniert und das Ganze dann mit dem Sounddesign von DJ Ipek verbunden. Dieses perfekte Ineinanderfließen von westlicher und östlicher Tradition konnte so als Unterstreichung des Grundgedankens der neuen Reihe im Raum stehen bleiben.
Geschickt hatten Olivinn ihre Gäste, die sich zahlreich im sehr lounchig eingerichteten Foyer mit flachen Sofas und Stehlampen lümmelten, auf diese Symbiose vorbereitet und ganz minimalistisch angefangen. Ein wenig Selbstarrangiertes von Sinem Altem, mit Jazzcharakter und Liebe zum Experiment. Immer mal wieder griff sie in die Seiten ihres Klaviers und veränderte so dessen Klang. Viel Traditionelles, mit der Melodramatik des Abendlandes gewürzt, die sich vor allem durch das kehlig klingende Duduk, ein armenisches Blasinstrument, aufbaute. Unterstützt übrigens von Bügüm Tüzemens Gesang, der so viele Nuancen hatte wie die Musik des Abends. Die schwarz ummalten Augen, der rotgeschminkte Mund und das schwarzseidene Kleid unterstrichen die eindrucksvolle Präsenz der Musikerin und verliehen dem operettenhaften Gesang von Schubertstücken, der Jazzstimme zu Sinem Altems „Luftballons“ oder der Arie „Caro mio ben“ die jeweils feierliche oder ernsthafte Note.
Nur eine Frau mit so viel Präsenz konnte, in Kombination mit dem ebenso eindrucksvollen, mal weichem, mal ausladendem, mal slapstickhaftem Klavierspiel von Sinem Altem, der zurückhaltenden Klarinette von Miguel Perez Inesta, dem gekonnten Spiel von Özgür Ersoy auf Duduk, Zurna oder Baglama und der innovativen, geschickt eingesetzten Percussion von Axel Meier das Publikum so motivieren, dass mit Übergabe des Programms an DJ Ipek die Tanzfläche voll war und bis gegen 1 Uhr auch nie ganz leer wurde.
Bleibt zu hoffen, dass das Konzept auch in Zukunft so gut funktioniert und nicht nur die Musikstile, sondern auch das Potsdamer Publikum sich ordentlich bunt zusammensetzt. Andrea Schneider
Andrea Schneider
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