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Verstehen sich gut. Esra Dalfidan und ihre Bandkollegen.

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Kultur: Orientalische Folklore und Minnegesang

Esra Dalfidan und ihre Band Fidan bei „The voice in concert“ im Nikolaisaal

Stand:

In therapeutisch-musikalische Hände begab sich, wer am Freitagabend im Nikolaisaal Esra Dalfidan und ihrer Band Fidan zwei Stunden seiner Zeit schenkte. Das zumindest behauptete Moderator Lothar Jähnichen im Interview mit der Sängerin, Texterin und Komponistin, nachdem er erfahren hatte, dass diese vor ihrem Studium des Jazzgesangs erst einmal einen Abschluss in Musiktherapie gemacht hatte. Doch die Sängerin stellte klar, dass der heilende Aspekt eigentlich nicht ihre vordergründige Absicht für dieses Konzert sei, sie aber viel von sich in die Musik hineingebe.

Das konnte die in Solingen geborene Tochter türkischer Eltern auch kaum leugnen, vermischt sie in ihrer selbstkomponierten Musik doch zeitgenössischen Jazz mit den traditionellen Liedern der elterlichen Heimat, Improvisation und Scatgesang mit orientalischer Folklore und Minnegesängen. Ihre 2004 gegründete Band, die aus Franz von Chossy am Klavier und Tobias Klein an der Bassklarinette, Sean Fasciani am Kontrabass und Uli Genenger am Schlagzeug besteht, hatte die Sängerin, die übrigens in einem sehr sommerlichen, für manchen Herren in der ersten Reihe irritierend aufreizenden weißen, wie ein knappes Tuch um ihren Körper geschlungenen Kleid den Abend bestritt, um sich herum drapiert. Schnell stellten die vier Musiker allerdings klar, dass sie nicht nur schmückendes Beiwerk waren.

Immer wieder bewiesen Pianist und Schlagzeuger mit energetischen Dialogen, dass sie ihren Jazz gelernt hatten. Franz von Chossy hing völlig versunken und mit geschlossenen Augen über seinem Instrument und bespielte es blind und voller Hingabe. Uli Genenger, der durch seine Größe auffiel, saß aufrecht, mit beneidenswert geradem Rücken, die Augen ebenfalls geschlossen, und strich mal mehr und mal weniger sanft über die Becken des Schlagzeuges.

Die Bassklarinette umschmeichelte Esra Dalfidan. Zumindest versuchte sie es. Die sehr kraftvolle, fast ein wenig schrille Stimme der Sängerin übertönte das eher dunkel und warm gespielte Instrument häufig. Da funktionierte das Zwiegespräch Stimme und Bass sehr viel besser! In „Everlasting asking“ ließ Esra Dalfidan ihre Stimme dunkel werden wie das ruhig gezupfte große, bauchige Instrument, um gleich darauf ein Gespräch mit dem Schlagzeug anzufangen, das ein wenig heller und aufgeregter klang.

In „Gossip“ ließ sie durch Scatten eine scheinbar vielstimmige, immer aufgeregtere Gruppe Klatsch und Tratsch verbreiten und wurde durch Uli Genengers aufgeregtes Fingerwirbeln auf dem Cajun noch unterstützt. Doch was wäre schlussendlich ein vertontes aserbaidschanisches Gedicht ohne die Klarinette? Beschwörend, klagend, sehnsuchtsvoll versuchte Tobias Klein den kehligen Gesang Esra Dalfidans zu untermalen, die gefühlvoll die Geschichte eines Dichters erzählte, der seine in der Ferne gebliebene Geliebte vermisst.

Eine Sensibilität übrigens, die ihr für das Publikum zu fehlen schien. Diszipliniert sagte sie Lied für Lied an, vergaß dabei aber ein wenig die Interaktion mit ihren Zuhörern, die die Reihe „The voice in concert“ tatsächlich so reizvoll macht und die diesen Abend als souverän, aber ein wenig ohne Würze in Erinnerung bleiben lassen könnte.

Andrea Schneider

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