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Kultur: Othello in Berlin

Filmgespräch zu Solruns „Jargo“ im Filmmuseum

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Filmgespräch zu Solruns „Jargo“ im Filmmuseum Schnelle Schnitte spulen sich auf der Leinwand des Filmmuseums ab. Die Sinne sind überfordert. Ein blonder Junge, blutige Nasen, ein lachendes Mädchen, Wüste, Plattenbauten. Ein Mann stürzt sich von einem Turm. Das reizüberflutete Gehirn versucht zu ordnen, zusammenzupuzzlen. Dazu wird das Ohr mit der Melodie von „In einem kühlen Grunde“ beschallt. Erst nach den 90 Minuten des Films „Jargo“ fügen sich die Einzelszenen des Anfangs zu einem Gesamtbild. „Sie hat die Treu'' gebrochen, das Ringlein sprang entzwei“, heißt es im Volkslied der Auftaktszene. Treue, eines der Motive des Films. Aber es geht auch ums Erwachsenwerden, um Liebe, Verrat und Drogen. Das alles gerahmt durch eine rasante Handlung, eben noch witzig, im nächsten Moment todtraurig. „Vieles, teilweise sogar die Namen, ist an Shakespeares ,Othello“ angelehnt“, gibt die Darstellerin der Emilia, Josefine Preuß, im anschließenden Filmgespräch preis. Funktioniert das? Ein weiterer Jugendfilm mit Platt-Komik auf Masse getrimmt? Aus deutschen Landen hatten wir in den letzten Jahren diesbezüglich viel zu verkraften. Doch weit gefehlt. Der Film überrascht durch Tiefe, überzeugende Schauspieler und Humor. Im Film findet sich der 15-jährige Jargo (Constantin von Jascheroff), aufgewachsen in Saudi Arabien, nach dem Selbstmord seines Vaters in einer Hochhaussiedlung in Berlin wieder. „Mit 16 musst du ein Mann sein.“, hatte ihm sein Vater unmittelbar vor seinem Ableben eingebläut. Nun versucht sich Jargo kurz vor seinem Geburtstag in der Großstadt einzuleben. Mit Schwierigkeiten. Verständnislosigkeit beim Feilschen am Imbiss, sein traditionelles Gewand wird belächelt und die „Fleischschau“ der Mädchen im Sportunterricht muss auch erst einmal verkraftet werden. Die Freundschaft zu Kamil, einem kleinkriminellen Türken, bringt ihm Respekt und eine Verfolgungsjagd mit der Polizei ein. Als Kamil ihn zu einem Einbruch überredet, zwei Mädchen ins Spiel kommen und Jargo sich in die Falsche verliebt, gerät das Ganze aus dem Ruder. Der Film fesselt den Zuschauer zitterfiebernd auf den Kinosesseln. Vom anschließenden Filmgespräch, geführt von Katharina Dockhorn, kann man das nicht behaupten. Schleppend stakst die Konversation dahin, wird von der Fragestellerin mit belanglosen Fragen in müde Gefilde geschippert. Die große Redefreude, der neben Regisseurin Maria Solrun anwesenden Josefine Preuß kann peinliche Pausen weitestgehend verhindern. Die 18-Jährige plappert munter über die Dreharbeiten, ihre bisherige Karriere und die Arbeit mit Detlef D. Soost, der die Tanzeinlagen im Film choreografiert und mit den Schauspielern einstudierte. Solrun erzählt, dass sie mit dem Film auch einen Teil ihrer Biografie aufgearbeitet habe. Ihre Eltern seien alkholkrank gewesen und auch sie war zeitweise im Drogenstrudel gefangen. „16 Jahre ist ein sehr gefährliches Alter“, sagt sie. Dass der Film bis jetzt noch keinen Verleih gefunden hat, stimmt Solrun traurig. So tingelt der Film bisher nur von Festival zu Festival und staubt dort jede Menge Preise und Lob ab. Auf dem Filmfestival in Sarajevo konnte der Publikumspreis und die Auszeichnung für den besten Jugendfilm eingefahren werden. Trotzdem muss weiterhin darum gebangt werden, ob „Jargo“, das Kinodebut der sympatischen Isländerin Solrun, je flächenddeckend über die deutschen Leinwände flimmern wird. Christoph Henkel

Christoph Henkel

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