Kultur: Paganini der Klarinette
Silvesterkonzert der Kammerakademie Potsdam
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Temperamentvoll begann das Sylvesterkonzert der Kammerakademie Potsdam. Kastagnetten klappen, die Musiker klatschen rhythmisch und rufen lauthals „Hey, Hey, Hey“. Dem gut gelaunten Publikum im ausverkauften Nikolaisaal kam das spanisch vor. Was gar nicht falsch ist, bestreitet die Kammerakademie doch unter der Leitung von Michael Sanderling gut die Hälfte des Programms mit Werken den spanischen Komponisten Manuel de Falla. Was Manuel de Falla in seiner andalusischen Heimat an musikalischen Traditionen vorfand, setzte er mit feinem Ohr für spanisches Timbre symphonisch um.
Die Musik der beiden Ballette „Der Dreispitz“ und „Amor brujo“ ist zwar schlicht strukturiert, aber umwerfend klangvoll. Folkloristische Motive und Rhythmen, Bläsersignale und Perkussion erzeugen viel spanisches Kolorit. Dazu setzen die kammermusikalischen Bläser mit dem melancholischen Ton des Englisch Horns, dunklem Fagott, schauriger Bassklarinette und heller Oboe aufrührerische Akzente. Gefühlvolle Soli von Viola und Violine illuminieren effektvoll das schöne Liebesspiel.
Mit Kunststücken verblüffte der Klarinettenvirtuose Charles Neidich die Zuhörer. Der renommierte Musiker scheut vor keinem Lauf, Legato oder Glissando zurück. Selbst einige der anspruchsvollsten Violinwerke, wie Pablo de Sarasates „Zigeunerweisen“ und das „Moto perpetuo“ von Niccolò Paganini (die erste Zugabe) spielt er lässig auf der Klarinette, atemberaubend schnell und präzise. Der Atem geht Charles Neidich dabei dank hochentwickelter Zirkularatmung und Fingertechnik nicht aus. Wenn auch die Liebhaber des Geigenspiels einige Abstriche bei Phrasierung und Intonation hinnehmen mussten, überzeugte Charles Neidich mit seiner erfrischenden, freizügigen Interpretation. Großer Applaus für den sympathischen Paganini auf der Klarinette aus New York.
Mit der Walzerfolge „Wein, Weib und Gesang“ und dem „Radetzkymarsch“ von Johann Strauß d. Ä. verbreitete die Kammerakademie endgültig frohe Feststimmung. Pointiert und prägnant in einzelnen Abschnitten, gleißend und spritzig im Gesamtbild ergab das einen Wiener Walzertaumel ohne Sentimentalitäten. Preußisch zackig erklingt der Marsch in den lauten Teilen, zu denen Michael Sanderling zum Mitklatschen animiert, weich und schwungvoll wogt das Trio. Viel Applaus für ein großartiges Sylvesterkonzert. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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