Kultur: Parolles!
„Ende gut, alles gut“ auf Potsdams Pfingstberg
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Warum immer Shakespeare? Das Poetenpack ist in seiner jährlichen Visite auf dem sorgsam restaurierten Pfingstberg stets auf den Weltpoet abonniert – genau wie Tausende anderer Freilufttheater der Erde. Die diesjährige Wahl der Komödie fiel auf „Ende gut, alles gut“, eines der weniger erfolgreichen Stücke im Blick durch Bilanz der Jahrhunderte. Shakespeares Lustspiele gelten unter freien Theatergruppen als ideal: Vielschichtig angelegte Figuren, mehrere Handlungsfäden, die zwischen derbem und philosophischem Register stetig wechseln, viel Komödie und das Wichtigste: wie die Wandertheater zu des Barden Zeiten benötigt man kaum Requisiten – treu dem Motto, die ganze Welt, wenn nötig, auf der Bühne durch Illusion darzustellen.
Ein Mittel aus der Elisabethanischen Zeit, in der Bauerntheater das einfache Dorfvolk unterhielt, eröffnete denn auch das Stück. Ein Hütchenspieler lief vor Beginn durch das Publikum, versprach nichts, wollte aber 50 Euro vom Gegenspieler oder gar einen Kuss. „Eins, zwei, drei“ – dieses Wort wurde der rote Faden seines Auftritts. Amüsierende, natürliche Frechheit. Parolles (Lars Wild), so der sprechende Name dieser Figur, hat die Herzen früh gewonnen und trägt ihre Sympathien bis zum Ende des Stücks.
„Wenn Frauen zu sehr lieben“ könnte der moderne Versuchsaufbau des Stücks lauten. Denn die Zofe Helena begehrt den für sie unerreichbaren Prinzen Bertram. Joanna Castelli, mit Blumenkleid und Schulkind-Zöpfen, spielt sie leider allzu sehr als Naivchen. Was für ein emanzipatorisches Potenzial hätte die Rolle! Immerhin fasst diese Helena von niederem Stand den irrwitzigen Plan, das Herz des Grafensohns zu erobern. Ihr gelingt das Unmögliche, einschließlich der Wunderheilung des Königs und einer wirklich perfiden List, den Widerspenstigen doch noch auf das Ehelager zu locken. Geschlechterspiel, von Shakespeare sozusagen schon für die Moderne angelegt, doch diese Helena verweigert den gleichzeitigen Ausdruck von weiblichem Sehnen und männlicher Macht, die ihr der König und ihre Intelligenz geschenkt hat.
Einzig Parolles, der mit Feigheit und Witz ausgestattete Begleiter des Grafensohns Bertram, ist in der Lage, es mit der Vielschichtigkeit seines Charakters aufzunehmen. Lars Wild nimmt die Shakespeare-Sprache, die in Übersetzung ein ziemlich antiquiertes Deutsch ist, und zeigt allen seinen Mitspielern, dass man sie sehr wohl zum Leben erwecken kann. Immer wieder Parolles! Der auch noch Gelegenheit findet, mit dem Publikum zu flirten. Der in einer Mitmachszene die Herren in den Rängen in Angst und Schrecken versetzt, und den Rest zum Szenenapplaus bringt. Dagegen Peter Biele als alter König, von dem man nach der Wunderheilung eine flottere Zunge erwartet hätte. Oder der Blässling Bertram (Andreas Hueck), dessen Haupt vor Hochnäsigkeit und Stolz hoch erhoben getragen gehörte, dessen Blicke die arme Helena wie geschärfte Säbel treffen müssten. Und der trotzdem höchst indifferent agiert. Merke: die Rolle des Bertram ist keine Hauptrolle, aber dennoch eine tragende. Genauso hölzern ebenfalls die Gräfin Roussillon (Sylvia Rentmeister) und ihr Berater Lafeu (Dietmar Voigt). Lichtblicke hingegen die keusche Diana (Susann Kloß) und der Narr Lavache (Stephan Fiedler).
Die Regie von Wolfgang Heiderich hat sich offensichtlich für solide amüsantes Sommertheater entschieden. Schön umgesetzt die Verführungsszene als Schattenspiel zum a-cappella-Gesang des Ensembles. Es wird also musiziert, auf- und abgewetzt, dass der Staub nur so wirbelt. Der Prachtbau auf dem Pfingstberg ist eher edle Kulisse, er wird nicht wirklich in das Stück eingebunden.
Vom Phänomen Shakespeare, vor über 400 Jahre in die Gegenwart geschaut und Macht und Liebe in ihrer intriganten Verwobenheit durchschaut zu haben, wird hauptsächlich das Heitere und Lustvolle dargestellt. Freilufttheater eben.
Belvedere, Pfingstberg: Heute und am 24., 25., 26. August, jeweils 20 Uhr.
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