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Kultur: Pelztier unterwegs

Das T-Werk hat „Murmels Reisen“ frei nach einem Text von Christoph Miethke inszeniert

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Wenn einer auf die Reise geht, so kann er was erzählen, schrieb einst Matthias Claudius in seinem Werk „Urians Reise“. Murmel ist zwar nicht Urian, aber gereist ist er auch, und zwar mit dem Bully in eine Stadt, zu Fuss in ihr herum, letztlich sogar mit seinem Kameraden, dem Sandwurm, als Ballonfahrer durch alle Welt, fast wie der berühmte Luftschiffer Giannozzo bei Jean Paul. Auch nicht gerade wenig. Was davor, dabei und zuletzt alles passiert ist auf „Murmels Reisen“, das erzählt das T-Werk jetzt in einer hübschen Geschichte für Kinder ab vier Jahre aufwärts. Zu Jens-Uwe Sprengels Inszenierung frei nach einem Text von Christoph Miethke, die am Sonntag Premiere hatte, gibt es eine Menge zu sagen, schließlich läuft die einstündige Vorstellung ausdrücklich unter der Rubrik Erzähltheater, und das mag gar nicht so besonders dramatisch sein.

Die Geschichte: Murmelkinds Winterschlaf ist gestört. Während Murmel-Papa, Murmel-Onkel und alle anderen im Tiefschlaf ganz feste pennen, kommt es nicht mehr zur Ruhe. Geht aus Langeweile auf Reisen, den Murmelberg hinauf, wo es auf eine Familienwinterwandergruppe trifft. Die nimmt das Tierchen als blinden Passagier mit in die Stadt. Murmel plündert aus Hunger manches Geschäft, gerät auf hohe See, dann auf Sandwurms Insel, um per Luftballon, welch ein Zufall, genau auf dem Murmelberg wieder zu landen, wo die besorgte Familie den Ausreißer und Globetrotter freundlichst begrüßt.

Die Inszenierung beginnt auf der Vorbühne. Hier begrüßt die Figurenspielerin Kristina Feix Jung und Alt als eine Art Murmeltier in drei Sprachen. Hochdeutsch hört man, aber auch östereichische und schwyzzer Mundart. Dann geht es durch labyrinthische Gänge in das Innere des Bergs, einer bis zum Dach hinauf reichenden Rund-Arena aus weißen Stoffbahnen. Die Mitte dieser Höhle ist einer kreisrunden Bretterbühne bestimmt, wo die Solistin alle Situationen der Murmel-Fahrt erzählt oder darstellt. Wenige Schlafsäcke genügen, einen Berg aufzurichten, die Fahrt mit dem Auto ist eine Lichtprojektion an der Wand der Arena, mit einem Matchbox-Bully nebst Taschenlampe dargestellt, die Stadt baut sie sehr fantasievoll aus Thermoskanne, Stullenbüchse und Kinderhandschuhen, während die Straßen von einer Klopapierrolle abgespult werden. Udo Kolloska sorgte für die passenden Off-Geräusche wie Straßenlärm oder Meeresrauschen. Imagination ist halt immer noch doch die edelste aller Künste.

Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn dieser Murmler, von Kristina Feix mal als Pelzwuschel, mal behufs ihrer Fellmütze dargestellt, selbst etwas von sich gegeben hätte. Dialoge mit Puppen und Objekten sind ja bekanntlich eine Spezialität vom T-Werk. Doch weit gefehlt, die Puppenspielerin redete für sich und ihn zugleich, in einer bloßen Aneinanderreihung von Reisestationen, die weder fürs Tier noch für die Kinder eine wirkliche Herausforderung waren. Und dann auch noch gänzlich folgenlos blieben. So bekommt man zwar Weite, aber keine Tiefe ins Geschehen. Selbst die Episode mit dem Sandwurm, als Pulloverärmel vorgestellt, blieb mehr Nebenher als Miteinandertun. War Reisen denn wirklich das Thema, oder vielleicht Abhauen und Zurückfinden?

Letztlich geht es hier gar nicht um eine bestimmte Altersgruppe, sondern um die Einlösung von Bühnengesetzen. Dazu gehört auch, dem Protagonisten Namen, Gesicht und vor allem Charakter zu geben: Ob nervendes Pfeifen, ein Vorsichhinmurmeln oder Vorliebe fürs Murmelspiel - eine Eigenschaft genügte, und jeder hätte den Wuschel geliebt! So blieb er bis zuletzt nur ein Anonymus. Die Bühnen- und Bilderwelt dieser Inszenierung ist perfekt, doch die inneren Wege des Pelzchens leider nicht. Gerold Paul

Wieder am 30. März um 15 und 17 Uhr im T-Werk in der Schiffbauergasse

Gerold Paul

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