Kultur: Percussion pur
Babette Haag bot im Nikolaisaal-Foyer ein Konzert mit viel Kunst und Bildung
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Sie kam herein, verbeugte sich und schlug gleich drauf. Für manchen Besucher im Foyer des Nikolaisaales kamen die kräftig-archaischen Tonfolgen von Iannis Xenakis'' „Rebonds Part A pour percussion solo“ vielleicht etwas plötzlich, aber die so glanzvolle wie charmante Solistin Babette Haag hatte den ersten Teil dieser gewaltigen Tonschöpfung mit viel Bedacht ausgewählt. Ein starker Einstieg bei ihrem Konzert „Percussion pur“ ist schließlich immer gut, zumal „Part B“ den Auftritt der jungen Perkussionistin nach etwa 80 Minuten abschloss.
Dazwischen spielte Babette Haag auch leisere, teils sehr harmonische Stücke. Ob Vibraphon oder Tom Tom, Marimba oder Tam Tam, große Trommeln, Schlagholz, Pedalpauke, Schellen, kleine Becken oder rasselnde Bohnen aus Afrika - nichts, was den seriösen Instrumentalisten dieses Faches zum anerkannten Spezialisten macht, wurde ausgelassen, um das Perkussionieren als europäische Kunstform vorzustellen. Man hörte keine Folklore, sondern (mit einer Ausnahme) durchweg Kompositionen unseres Kontinents aus dem 20. Jahrhundert.
Dank ihrer klugen und souveränen Moderation darf man behaupten, dass sich im Konzert Kunst und Bildung für viele Besucher zu einem unvergesslichen Erlebnis vereinten.Am ehesten erinnerte noch „Ghanaia“ des Würzburgers Matthias Schmitt für Marimba noch an afrikanische Tradition, ein Kunst-Stück sowieso, aber auch eine Hommage mit leisen Echo-Effekten an jenes Land im Süden. Dann kam die Ausnahme: Die Solistin hatte sich nämlich die Mühe gemacht, vier Sätze aus Bachs Violoncello-Suite Nr. 4 BWV 1010 für ein Marimba zu transkribieren. Das sah sehr artistisch aus, klang auch ordentlich, bekam viel Applaus, aber nötig wäre es vielleicht trotzdem nicht gewesen. Alle anderen Stücke waren Originale, etwa das opulente Klangwerk „Orion M 42“ von Reginald Smith-Brindle in erweiterter „Setup“-Besetzung mit sphärischen, sehr modernen, aber auch traditionellen Parts, welche jenen Sternnebel zu umschreiben versuchen, Respekt.
Überhaupt war es schön, dieser recht sportiv wirkenden Percussionistin zuzuschauen. Bei Xenakis wirbelte sie nur so herum, mit „Clash Music für ein Beckenpaar“ von Nicolaus A. Huber stellte sie den martialischen Weg eines Heeres behufs zweier nicht großer Becken aus China auch darstellerisch her, Eugene Novotneys „A Minute of News“ drängte sie, einen Drummer gleich, an die Schnarrtrommel, wer da erriet, wie viele Anschlagsarten sie verwendete, durfte sich eine Gratis-CD abholen. Beim Spiel mit der Kalimba, einer Art Daumenklavier, fand man sie an einem Tisch, wo sie dieses wunderbar sanfte Stück „The Gentle, the Penetrating“ von Per Norgard interpretierte, die „Musikalisierung“ des 5. Hexagramms aus sei-nem "I Ching" (oder I Ging). Besonders schön war die Darstellung „Little Prayer“ auf einer Marimba, exotisch, esoterisch, mit ganz erstaunlichen Bordunton-Effekten, eine sehr feminine Komposition der „First Lady der Schlagzeuge", Evelyn Glennie aus Schottland. Von Keiko Abe, Japan, erklang ein neues Stück, "Tambourin Paraphrase", welches der Solistin wiederum ein fast artistisches Herangehen abverlangte, von Mark Glentworth ein Blues fürs Vibraphon.
Ein sehr reicher Abend, zumal Babette Haag all ihre Instrumente erklärte, die Art der Schlegelführung be-schrieb und viel über die komponierenden Kollegen zu berichten wusste. So hörte man „Part B“ von Xenakis mit anderen, weil nun geschulteren Ohren.Gerold Paul
Gerold Paul
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