zum Hauptinhalt

Kultur: Petitessen

Orgelsommer mit Giulia Biagetti

Stand:

Von fantasievoller, den Stücken angemessener Registrierung versteht sie eine Menge. Sie weiß um die Wirkung origineller Soloregister und spannender Mixturen. Weiterhin scheint die Italienerin Giulia Biagetti die kleine Form zu lieben, und so hatte sie für ihren Orgelsommer-Auftritt am Mittwoch an der Schuke-Orgel in der Erlöserkirche ein Patchworkprogramm aus verschiedensten Komponistenfedern vieler Herren Länder zusammengestellt. Dabei bleiben die „Leibgardisten“ der Königin der Instrumente, wie Joh. Seb. Bach, Dietrich Buxtehude, Josef Gabriel Rheinberger, Charles-Marie Widor, Olivier Messiaen oder Max Reger, entweder außen vor oder sind nur mit Petitessen vertreten. Das Ergebnis gleicht einer Klangreise „über die Dörfer“ , bei der aufgesammelt ist, was am Wegesrand der Spätromantik und gemäßigten Moderne liegt und mit italienischer Leichtigkeit redegewandt erläutert werden kann. Bloß nichts Tiefgründiges.

Und so erhebt sie die Spielfreude zu ihrem Markenzeichen: die Klarheit und Leuchtkraft des barock disponierten Schukeschen Meisterwerkes, die Prägnanz seiner farbenreichen Register ins beste Licht rückend. Dabei kommt der vielseitig ausgebildeten Kirchenmusikerin, die seit Jahrzehnten als Organistin und Chorleiterin an der Kathedrale von Lucca tätig ist und sich bei Agenturen, Institutionen und Verbänden engagiert, um die Förderung von kulturellen Veranstaltungen kümmert, ihre Kenntnis sowohl des konzertanten als auch liturgischen Orgelspiels zustatten. Hell getönt, durchdringend und klar in den Strukturen breitet Giulia Biagetti die „Fantasie over her Lutherlied ‚Een Vaste Burg is onze God‘“ von Jan Zwart (1877-1937) in raschen Zeitmaßen aus. Zwischen pompöser Einleitung und dissonanzenreichem Finale erklingt die schlichte Melodie des „Ein feste Burg“ in gedeckten Soloregistern, wobei das der „Vox humana“ menschliche Stimmen vorzüglich zu imitieren versteht. Im weiteren Konzertverlauf setzt sie es noch häufig ein. Als zarte, ausdeutende Kreuzigungsmusik erweist sich Zwarts „Jezus stierf aan het kruis“.

Abwechslungsreich weiß die Organistin die barocke Partita über „Meinen Jesum lass ich nicht“ von Johann Gottfried Walther darzubieten. Dabei kommen die Variationen tänzerisch hüpfend, dann wieder per gläsern klingende Mixturen mit mancherlei Flötenstimmen daher, was für reichlich Abwechslung sorgt. Doch auch die Schärfe der Prinzipale weiß Giulia Biagetti für die erforderliche Erhabenheit klug einzusetzen. Ein „Cantabile“ von Marco Enrico Bossi (1861-1925) klingt wie es soll: leicht tremolierend, oboenähnlich schwebend. Üppiges Klanggewusel zeichnet Camille Saint-Saëns „Preludio e fuga“ aus, getragene Verinnerlichung das sehr kurze Vorspiel „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ von Sigfrid Karg-Ehlert (1877-1933). In der Kürze liege die Würze? Bei Max Reger (1873-1916) und seinen kleinen Choralvorspielen nicht, wie das liebliche „Ach bleib mit deiner Gnade“ und das schlichte „O Gott, du frommer Gott“ nachdrücklich beweisen. Ungewöhnlich kurz und chromatisch geballt zeigt sich seine d-Moll-Toccata. Dieser barocken Form huldigen auch Jan Nieland (1903-1963) in seinem motorisch treibenden Virtuosenstück und Bonaventura Somma (1893-1960) mit einer effektvollen Formvariante, die an die berühmten Vorbilder eines Widor, Boëllmann oder Vierne denken lassen.

Peter Buske

Peter Buske

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })