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Kultur: Pfingstliche Orgelmusik in St. Nikolai

„Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt“, berichtet die Apostelgeschichte des Lukas. Und weiter heißt es: „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.

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„Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt“, berichtet die Apostelgeschichte des Lukas. Und weiter heißt es: „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ Dies geschieht am fünfzigsten Tag nach Ostern. Was nichts anderes bedeutet: Pfingsten. Im Gegensatz zu anderen kirchlichen Feiertagen ist dieser mit geistlicher Musik nicht so reichlich beschenkt wie Weihnachten oder Ostern. Besonders in der Instrumentalmusik erscheint es schwierig zu sein, so etwas Ungreifbares wie eine Geist-Ausgießung in Noten zu fassen. Der Franzose Olivier Messiaen hat es in seiner Orgel-„Pfingstmesse“ (Messe de la Pentecôte) meisterlich verstanden, den Geist dieses Ereignisses klanglich einzufangen.

In den vorgestellten Werken von Bach, Buxtehude, Langlais und Weyrauch sei etwas „vom Wirken des Heiligen Geistes zu hören“, versuchte Organist Björn O. Wiede die kleine Hörgemeinde auf „Orgelmusik zu Pfingsten“ an der Altarorgel von St. Nikolai einzustimmen. Mancher Titelfingerzeig half, daran zu glauben. Wie jener für die neoromantisch komponierte Partita vom Leipziger Johannes Weyrauch (1897-1977), die über die Choralmelodie „Nun bitten wir den heiligen Geist“ variationsreich meditiert. Getragen erklingt die Melodiestimme, zunächst unterstützt von scharf-schnarrenden Registern, dann der Trompete. Gravitätisch schreitet die „Erleuchtung“ voran, um schließlich im vollen Werk in die edelsinnige Größe zu münden.

Von solchen Stimmungen erzählt bereits das eingangs erklingende Präludium und Fuge D-Dur von Dietrich Buxtehude (1637-1707). Festlich und freudig im ersten Teil (durch strahlende Diskantstimmen) folgt ein besänftigendes Fugenthema, dann die conclusio: zur Pedalunterstützung rauscht es majestätisch im Prinzipal auf. So könnte man das pfingstliche Ereignis in Klang setzen – muss es jedoch nicht. Johann Sebastian Bach ist da in seiner Orgelfantasie „Komm, Heiliger Geist“ BWV 651 konkreter. Über kräftigem, liegendem Orgelpunkt lässt der Organist die sich unaufhörlich verändernde Melodie volltönend erklingen. In voller Erhabenheit mit hellklingenden Stimmen und sich ausweitenden Klangflächen ertönen Präludium und Fuge C-Dur BWV 547, später das in gleicher Tonart stehende Paar BWV 531, das sich mit einprägsamem Pedalsolo eröffnet. Wiede betont durch zügiges Spiel den toccatischen Zuschnitt, der sich auf den beiden Manualen fortsetzt. Geradezu beschwingt, glanzverbreitend und fröhlich eilt die Fuge vorüber.

Harmonisch eher spröde und archaisch wirkend, zeigt sich die „Suite Médiévale“ von Jean Langlais (1907-1991), die den Geist des mittelalterlichen Pfingstritus“, wie er in französischen gotischen Kathedralen gefeiert sein mag, heraufbeschwört. Das Prélude erinnert gleichsam an das beeindruckende Eingangsportal von Notre Dame, während es im „Tiento“ (einem fugierten spanischen Instrumentalstück des 16. Jh.) ätherisch, pastellfarben und schwebungsreich zugeht – genauso wie in „Improvisation“ und „Méditation“. Für die Acclamationes „Der siegende Christus“ (hier ist der Pfingst-Sinn deutlich erhörbar) zieht er alle Register. Im vollen Werk jubelt sich der Heilige Geist, angefüllt mit gregorianischen Zitaten, unter effektvollem Einsatz des klingelnden Zimbelsterns in die Apotheose. Des Brausens schien kein Ende zu sein. Der Beifall ebbte rasch ab.

Peter Buske

Peter Buske

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