Kultur: Pianistische Chefsache
Das Trio Wanderer im Raffaelsaal
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Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Interessiert folgt er ihren Disputen, bildet sich seine Meinung. Oder hält selbige bereits von Anfang an parat, die er den Streithähnen sogleich unmissverständlich kundtut. Kurzum: Er ist der Chef, der das Sagen hat. So ähnlich ist es auch beim Zusammen- und Wechselspiel in einem Klaviertrio, wo ungleiche Partner miteinander reden und den Eindruck lebhafter Unterhaltung erwecken wollen. Dieser Aufgabe unterzog sich das französische Trio Wanderer bei seinem Musikfestspiele-Auftritt am Donnerstag im Raffaelsaal der Orangerie Sanssouci. Bei ihrer Grand Tour durchstreifen sie von Sturm und Drang, von romantischen Leidenschaften zerklüftete Regionen.
Zur Einstimmung auf die Wanderung rezitiert Potsdams Vorleser Klaus Büstrin aus der „Wortschätze“-Truhe eine „Der Geiger“ betitelte Fabel aus der Feder Friedrichs II., dessen Moral in der mehrdeutigen Erkenntnis gipfelt: „Daß selbst die größte Kunst versagt, wenn es an Mitteln ihr gebricht.“ Start frei. Am Anfang des Weges steht die noch nicht als Trio, sondern nur für Klavier, Violine und Violoncello bezeichnete Sonate C-Dur von Carl Philipp Emanuel Bach. Ohne viel Federlesens übernimmt das Klavier (Vincent Coq) mit rauschenden Passagen und flinken Läufen die Federführung. Violine (Jean-Marc Phillips-Varjabédian) und Violoncello (Raphaël Pidoux) sind dabei nicht mehr als akkordische Stichwortgeber. Nüchtern und uninspiriert wird das Stück brav vom Blatt abgespult.
Als gefällige Unterhaltungsmusik entpuppt sich das Grand Trio Es-Dur op. 10 von Louis Ferdinand von Preußen, jenen in der Schlacht von Jena und Auerstädt anno 1806 gefallenen Musensohn und Frauenliebling. Auch hier hat der fingerfertige Klavierspieler das Sagen, der sich immer wieder zu virtuoser Rhetorik aufschwingt. Doch die Mitspieler reden nun ein gewichtigeres Wörtlein mit, nachdem sie in der Introduktion „Adagio cantabile“ noch ziemlich zurückhaltend sich dem Diktat des Chefs mit seinem leeren Tastengeklingel unterwerfen. Da nimmt es nicht Wunder, dass die Geige eher gelangweilt reagiert und mit der Intonation bisweilen auf Kriegsfuß steht. A trois spart man frühromantische Empfindsamkeit weitgehend aus, bringt jedoch mit leichter Tongebung die tänzerischen, der höfischen Zerstreuung dienenden Galanterien zum Klingen. Manche dramatische Zuspitzung im finalen „Rondo: Allegro brillante“ sorgt für einige Abwechslung in den vordergründig auf virtuose Prachtentfaltung angelegten musikalischen Ablauf.
Nach der Pause wird’s mit Felix Mendelssohn Bartholdys Grand Trio c-Moll op. 66 richtig spannend. Mit sicherem Gespür erfüllen und erfühlen die Musiker des Komponisten Absichten, stürzen sich könnerisch in die Motorik des Stücks, in ihre Spannungen und Konflikte. Auch wenn Geige und Cello sich nunmehr vollmundig am Gespräch beteiligen, bei dem das Klavier ihnen ein gleichwertiger Partner ist, klingt es dennoch oftmals ein wenig nüchtern. Fehlt es schlichtweg an fein abgestimmten Klangfarben im Revier? Das liedhafte Andante singt sich mit ausdrucksverstärkendem Vibrato innig aus. Rasant jagt das Scherzo gleich einem Elfenspuk im Sommernachtstraumwald vorüber, während das Finale mit intensiver, leidenschaftslodernder Virtuosität auftrumpft. Die Seelenstürme beruhigen sich, um in hymnische Danksagung zu münden. Die Wanderer sind, beifallsbelohnt, an ihr Ziel gelangt.Peter Buske
Peter Buske
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