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Kultur: Plädoyer fürs Intime

Internationaler Orgelsommer : Reinhardt Menger in der Erlöserkirche

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Internationaler Orgelsommer : Reinhardt Menger in der Erlöserkirche Ein schöner Rücken vermag zu entzücken. Ein schönes Antlitz aber auch. Da viele zum betörenden Klang auch noch den Anblick der „Königin“ genießen wollen, drehen sie die Stühle einfach in ihre Richtung um. Rechtsseitig sitzen die Blickhörer, linksseitig die Altaranbeter, denen die gleichsam Klänge im Nacken sitzen. Ein wahrlich merkwürdiger Anblick in der Friedenskirche beim Konzert mit dem Honorarprofessor Reinhardt Menger aus Frankfurt/M. im Rahmen des Internationalen Orgelsommers. Das Programm hat er ganz auf Potsdam zugeschnitten. Streng im Metrum, warm im Klang spielt er das Ricercar a 6 aus Johann Sebastian Bachs „Musikalischem Opfer“ BWV 1976, das sein Entstehen einem (Noten-)Einfall von Friedrich Zwo verdankt. Das kontrapunktische Liniengeflecht breitet der Organist, der auch eine Menge von Orgelbau und Instrumentenkunde versteht und nicht grundlos Orgelsachverständiger der evangelischen Landeskirche in Hessen ist, überschaubar aus. Bachs Klangmathematik erfährt eine sehr verinnerlichte, von Leben erfüllte Wiedergabe. Doch im Orgel-Diskant klingt''s nicht immer astrein. Auch später fallen manche Töne unsauber aus. Des Rätsels Lösung? Der Orgelbaumeister Gerald Woehl ist noch immer am Instrument zugange, pflanzt seinem Organismus die restlichen sieben Register ein. Das bedeutet auch Intonationsproben - bis kurz vor Konzertbeginn. Nicht alles harmonisiert dann auch zusammen. In einigen dürfte die Implantation, zusammen mit weiteren klanglichen Feinabstimmungen, abgeschlossen sein. Dann endlich wird die „Königin“ mit den bislang noch fehlenden, luxurierenden Accessoires ausgestattet sein. Das Pedal wird zusätzlichen Glanz erhalten, Haupt- bzw. Oberwerk dürfen sich mit weiteren Sahnehäubchen schmücken. Ganz ohne Pedalstimme hat Friedrichs Cembalist Carl Philipp Emanuel Bach seine VI. Sonate per l''Organo g-Moll Wq 70/6 versehen. Der Grund? Werkempfängerin Prinzessin Amalie von Preußen hatte schlichtweg zu kurze Beine, die nicht aufs Pedal langten. Reinhardt Menger lässt das Stück so erklingen, als sei es für die Kammer und das Spielvermögen der Prinzessin bestimmt. Diese ganz auf Intimität bedachte Wiedergabe verrät eine intelligente Annäherung an historisierende Musizierpraxis: Er registriert so, als ob der Prinzessin Hausorgel, ein kleindisponiertes Instrument von Migendt, zu spielen sei. Zunächst erklingt die bekannte Melodie verspielt im Diskant; dann blähen sie sich zu monarchischer Größe auf, diese zwölf Variationen über „Heil dir im Siegerkranz“ von Christian Heinrich Rinck (1770-1846). Das Lied entstammt der Feder von Balthasar Gerhard Schumann, wurde anno 1793 in der „Spenerschen Zeitung“ als „Berliner Volksgesang“ abgedruckt und avancierte zur Hymne des deutschen Kaiserreichs. Verzierungsreich und prinzipalgeschärft kommen sie daher, zungenstimmenbesinnlich und trompetenschnarrend. Originell oder künstlerisch ertragreich sind diese Veränderungen nicht, eher gediegenes Handwerk. Ist''s ein Wunder, dass die Inspirationsquelle des Interpreten kaum sprudelt?! Wenig abwechslungsreich hören sich auch die D-Dur-Variationen von Felix Mendelssohn Bartholdy an. In ihnen obwaltet ein weicher und romantischer Ausdruck. Damit dieses Seelenvolle, Liebliche und Durchgeistigte zeitauthentisch entstehen kann, bevorzugt Reinhardt Menger die Heise-Register von anno 1847. Auch für das pedalmächtige Orgel-Prelude von Fanny Hensel-Mendelssohn, deren Werke einst unter dem Namen ihres Bruders erschienen waren, zieht er die entsprechenden Stimmenzüge. Dem Spiel dankt herzlicher Beifall. Peter Buske Nächstes Konzert des Orgelsommers am 21. Juli, 19.30 Uhr, mit Friedrich Meinel in der Erlöserkirche

Peter Buske

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