Kultur: Poesie der Augenblicke Lyriklesung im
„Caffé 11-Line“
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Obwohl sie keinen Hehl daraus machen, merkt man ihnen doch das Lampenfieber nicht an. Als die beiden Potsdamer Autorinnen Waltraud March und Elke Hübener-Lipkau am Freitagabend im „Caffé 11-Line“ allerlei Eigengedichtetes präsentieren, geschieht das durchaus mit Verve, viel Charme und Geschick, bleiben große Versprecher aus, werden die Stimmen nicht zittrig und schweigt man anschließend auch nicht hilflos vor sich hin. Gut gemeint sind die musikalischen Einlagen, schlecht gemacht nur ihr Einsatz.
„Bedeckt mit Fläumchen / hängt hoch im Bäumchen / das letzte Pfläumchen / dreht seine Däumchen / und träumt sein Träumchen“ Oft ist es wie hier, in Elke Hübener-Lipkaus Gedicht: raureifbedecktes Dörrobst, diese witzige Niedlichkeit einfacher Bilder, die den gut 20 Gästen ein Schmunzeln entlockt. Nicht durchweg, doch regelmäßig besetzt der Humor die Verse, zieht er sich durch die drei Themengebiete, in welche die beiden Damen ihre Lesung gegliedert haben, sich einander abwechselnd, von einer Rezitation zur nächsten. „Einfach so“, wie sie irgendwann anfingen zu schreiben, heißt auch ihr Programm.
Eine dankbare stoffliche Fülle bietet die Poesie des Alltags, wie die Beobachtungen in einer belebten U-Bahn oder auf einer alten Bank am Ufer der Mosel zeigen, der Gegend, wo Waltraud March viele Jahre lebte, bevor sie als Gleichstellungsbeauftragte der Bundespolizei 2008 nach Potsdam zurückgezogen ist und mit dem Schreiben begonnen hat. Im Gegensatz zu ihrer langjährigen Freundin, der bemerkenswert vielseitigen Künstlerin Elke Hübener-Lipkau, die als Malerin wohl folgerichtig auch reichlich Farben, Symbolhaftigkeit und Kunstsinn in ihre Lyrik einfließen lässt, bestechen die Gedichte Waldtraud Marchs durch ihre Klarheit und Besinnlichkeit, was sich im zweiten Thema, dem Jahreslauf, sehr schön zeigt, wenn es etwa in ihrer Ode an die Kindheit heißt: „Fläming, wenn ich Dich betrete / hör ich den Heimatwind / hör ich noch tausendfach Geräusche / die alle meine Kindheit sind!“ Ein stilistischer Unterschied, der von den Gästen als sehr wohltuend empfunden wird, eine gelungene Ergänzung.
Und schließlich in der Liebe, dem dritten Thema, finden sich die Verse der beiden fast, gehen sie motivisch scheinbar ineinander über und lassen eine Harmonie gemeinsamen Augenzwinkerns und freundlich leichter Ironie entstehen. Doch so gebannt und konzentriert die Gäste an diesem Abend der Lyrik lauschen, so irritierend und geradezu unglücklich wirken die kurzen, von CD abgespielten Klavier- und Flötenklänge, welche die Themenwechsel anzeigen sollen, jedoch etwas zu laut sind, stets mittendrin beginnen und ebenso jäh, wie abgeschnitten enden. Freilich – hier wäre wohl das dezente, ausgewogene Zwischenspiel guter Musiker angemessener gewesen oder doch zumindest eine bessere Musikanlage.
Von Herzen aber kommt der Applaus der Gäste nach gut einer Stunde, auch wenn es natürlich kein Leichtes ist, rund einhundert Gedichte auf einmal wirken zu lassen, wie eine Dame aus dem Publikum ehrlich bemerkt. Auch sie ist begeistert von der Lyrik und vor allem der Rezitationslust, wofür sie beiden Autorinnen dankt. Die ihrerseits haben sich kurzerhand in den Kreis der Gäste gesetzt, wo sofort eine lebhaft heitere Unterhaltung einsetzt, Weingläser anstoßen und Nähkästchen geöffnet werden, wo über das Leben und über das Schreiben gesprochen wird wie über einen guten alten Freund. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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