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Kultur: Poesie pur

„Der kleine Prinz“ im Charlotte Joop-Garten mit Gisbert Näthers „Prinzensuite“ als Gesamtkunstwerk

Stand:

Wieder einmal darf man an dieser Kultstätte auf buchsbaumgesäumten Wegen lustwandeln, unverdorrte Rasenflächen betreten, Gehölze bewundern, sich am blühenden Trompetenbaum erfreuen, vorm alten und beeindruckend schön gewachsenen Hängewacholder verweilen, Omorika-Fichte und Hemlock-Tanne bestaunen, einem Goldfischschwarm im seerosenbewachsenen Teich nachsinnen Im Garten umgeschaut heißt die Devise von mehr als 200 Floraliebhabern, ehe sie sich im Landschaftsgarten von Charlotte Joop in der Bornstedter Ribbeckstraße, ganz dem Urania-Motto „Im Garten vorgelesen“ hingeben.

Wie sich“s für eine gute Gastgeberin gehört, lässt es sich Charlotte trotz Unpässlichkeit nicht nehmen, das Auditorium persönlich zu begrüßen. Dann muss sie sich ins schützende Haus im toskanischen Stil zurückziehen. Ihren Part übernimmt der unverhofft erschienene Sohn Wolfgang, der, statt in freier Rede, seinen Erinnerungen an diesen „Ort seiner Kindheit und Sehnsucht“ vorlesenden Ausdruck verleiht. Es ist das Eingangskapitel aus seinen autobiografischen Betrachtungen „Im Wolfspelz“. „Der Garten war groß genug für seine Träume“, rückblickt der Modeschöpfer. Die Zuhörenden können es, nach eigener Inspektion, durchaus bestätigen. Längst haben sie sich warm eingehüllt, denn es ist windig und kühl und regenwolkendräuend. Wird man trocken über die Leserunde kommen?

Der schauspielausgebildete Vorleser Robert Meller zeigt sich von den meteorologischen Unbilden unbeeindruckt, als er zur illustrierten Buchausgabe von Antoine de Saint-Exupérys Erzählung „Der kleine Prinz“ greift. In Frankreich gehört sie zur Schulpflichtlektüre. Die Kinder lieben sie trotzdem. Längst auch haben die Erwachsenen den Prinzen in ihr Herz geschlossen.

Der Potsdamer Komponist Gisbert Näther hat dieser Poesie in Worten die Poesie seiner Musiksprache hinzugefügt. Seither sind Originaltext und „Prinzensuite“ auf gar wundersame Weise miteinander verschmolzen. Dabei hat er mit melancholischen Klangerfindungen die Einsamkeit und Verletzlichkeit eines Kindes genauso treffend eingefangen wie dessen staunende Weltbetrachtungen, die Suche nach Lebenssinn, nach Zeit füreinander, Glück, Freundschaft

Die zarten, mitunter ätherisch aufsteigenden Klanggebilde sind für eine lieblich singende Flöte (Birgitta Winkler) und Harfe (Tatjana Schütz) gesetzt, mit denen die Entdeckung des Ichs zuerst elegisch, dann keck und beschwingt beginnt. Die Künstlerinnen, in Chiffongewänder gehüllt, sitzen windgeschützt im Eingangstürbereich. Einfühlsam und emotionsgeladen zupfen und blasen sie ihren zart getönten, ausmalenden Part, der es mitunter schwer hat, sich gegen das Brausen des Windgotts durchzusetzen.

Dagegen lässt Robert Meller seine das Geschehen plastisch modellierende Stimme verstärken. Für jede Stimmung und Situation hat er einen vortrefflich passenden Stimmduktus parat. Für des Prinzen „Bitte, zeichne mir ein Schaf“, dessen fragende Neugier und seine Tränen genauso wie für die Rose, Wüstenschlange und -fuchs. Allmählich sind Herz und Hirn von Fantasie durchtränkt. Wie sich am Ende daraus lösen und in die Wirklichkeit zurückfinden?

Zu Alp- und Waldhornklängen (Andreas Böhlke) durchwandert man erneut das Areal, entdeckt an verwunschenen Orten bislang Verborgenes: verblühten und damit ersterbenden Bambus, den Knöterich „Johanniswolke“, einen gefiederten Essigbaum

Nächste Gartenlesungen: 11. /12. Juli bei Familie Klein in Marquardt. Informationen über die Urania, Tel. 291741

Peter Buske

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