Kultur: Poetische Pantomime im Nikolaisaal
Ein Experiment mit unentschiedenem Ergebnis: Wolfram von Bodecker und Alexander Neander führten im Nikolaisaal mit dem Brandenburgischen Staatsorchester „Sinfonische Pantomimen“ auf. Mit Hilfe von Musik und Stummfilm entstanden Szenen eines zwar sprachlosen, aber sehr klangvollen Welttheaters.
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Ein Experiment mit unentschiedenem Ergebnis: Wolfram von Bodecker und Alexander Neander führten im Nikolaisaal mit dem Brandenburgischen Staatsorchester „Sinfonische Pantomimen“ auf. Mit Hilfe von Musik und Stummfilm entstanden Szenen eines zwar sprachlosen, aber sehr klangvollen Welttheaters. Dabei gilt die Pantomime als „Kunst des Schweigens“. So nannte sie einst der große Marcel Marceau, bei dem Bodecker und Neander gelernt haben. Man erlebte eine opulente Show, die nicht ganz überzeugte. Zu groß ist der Kontrast zwischen der individuellen Kunst der Körperzeichen, wo das Zucken mit der Augenbraue schon eine halbe Geschichte erzählen kann, zum brausenden Orchesterapparat. Zu dominant wirken die Kompositionen, die selber bereits vielfältige Geschichten erzählen. Die Darbietung, so stimmig und fantasievoll sie in vielen Details war, schwankte zwischen bloßer Illustration der Musik und origineller Illusion.
Das Divertissement für Fagott und Streicher von Jean Françaix zeichnet sich durch flinkes, klares Sprudeln musikalischer Motive aus, fast ein Doppelkonzert, denn zum virtuosen Solo-Fagott (Selim Aykal) gesellt sich die erste Violine in frisch-lebendiger Wechselrede. Bei solch starker musikalischer Präsenz hatten die Kunststücke und Zaubereien der beiden Pantomimen keinen leichten Stand. Das betraf auch die Symphonie Nr. 3 von Philipp Glass, zwar eine Kammersymphonie für 19 Streicher, aber ein Werk von mystischer Sogkraft, dessen repetive, scheinbar monotone, ungeheuer facettenreiche Strukturen den Zuhörer unmittelbar ansprechen. Neander und Bodecker erfinden dazu stumm-abstrakte Handlungen mit wandernden Papierstücken und tanzenden Kugeln und mit einer dünnen, ziemlich raschelnden Folie, die sich bei rotem und blauem Licht in eine Flamme, ein Meer, ein Segel verwandelt – bewegliche Szenen voller Poesie. Die Streicher des Staatsorchesters produzierten dazu überaus präzise und konzentriert irisierende Klänge . Sehr viel direkter geht es in den Kinothek-Musiken von Giuseppe Becce zu. Klassische Stummfilmposen und Szenen mit Witz und Einfallsreichtum: ohne Geigen wird nicht geküsst, Frankenstein und sein mörderischer Homunkulus, Wagenrennen und Western – die rasant- spielerischen, gestisch und mimisch perfekten Nachahmungen von Bodecker und Neander zeigen, wie eng Stummfilm und Pantomime zusammengehören.
Eine gelungene Mixtur von Pantomime, Musik und Film gibt es zur Musik aus Star Wars von John Williams. Nach dem pantomimisch gespielten Start des Raumschiffs laufen die folgenden Weltraumszenen im Film über den Köpfen von Zuschauern und Mitwirkenden ab – eine sinnreiche Verknüpfung von unmittelbarer, schauspielerischer Präsenz und technischer Reproduktion. Till Eulenspiegels Streiche liefern zur Musik von Richard Strauss den burlesken Ausklang, interpretiert als kurioses Spiel zwischen dem Schöpfer/Komponisten und seinem Werk, dem fidelen Harlekin. Unter der Leitung des eingesprungenen Israel Yinon spielte das Staatsorchester leicht und beschwingt. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
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