zum Hauptinhalt

Kultur: Pogo am Palais

Punk mit „Blutiger Osten“ und „Schmachwanderunk“

Stand:

Es roch ganz stark nach Subkultur, was am vergangenen Freitag im NIL-Club am Neuen Palais aufgetischt werden sollte: ein Stelldichein märkischer Punkbands, welche wohl nie das Ambiente verrauchter, bierdurchfluteter kleiner Klubs verlassen werden. „Mit Skrotum-Tätowierung und Hass auf die Regierung“ wurde da zum Angriff auf das frischgezapfte neue Jahr geblasen. Doch die Zeiten des Siegeszuges des Irokesenschnitts scheinen vorbei: Dresscode zwar leger-punkig, aber bei Weitem nicht mehr 80er. Der Laden war gut gefüllt und die Luft zum Schneiden dick. Und auch das klebende Sauggeräusch der Schuhsohlen auf dem Weg zur Bar passte perfekt zum Soundtrack des Abends.

Als Anheizer enterte zunächst „Die Bockwurschtbude“ die Bühne, drei Jungs aus der Oderstadt Frankfurt mit einem imposanten Goliath an der Bassgitarre, der sicherlich einen beeindruckenden Überblick über die versammelte Mannschaft hatte. Wer jedoch Spaßpunk erwartet hatte, wurde überrascht. Geboten wurde handwerklich solider Deutschpunk mit eingängigen Melodien und fundierten Texten. Der von der Bühne gereichte obligatorische Pfefferminzlikör erzielte – wenn auch etwas später – auch noch die gewünschte Wirkung.

Die zweite Band des Abends sorgte für deutlich härtere Töne: Die Brandenburger von „Blutiger Osten“ legten eine gewaltige Schippe drauf und sorgten augenblicklich für ein wahrhaftes Pogo-Inferno. Hier gab es nur noch eins: Man machte den wilden Reigen mit oder wurde zwangsläufig an die Wand gedrückt. Die „Jungs von der Havel“ spielten einfach gradeaus und hatten offenbar eine riesige Fanbase im Schlepptau. Der ganze Saal war beeindruckend textfest, lautstark und brachte die Fundamente zum Zittern. Die Zutaten waren aber auch gut gewählt: schnörkelloser Streetpunk mit zwei Sängern und betont ostdeutscher Attitüde.

Die Landeier von „Schmachwanderunk“ schließlich als Höhepunkt des Abends zu setzen, stellte sich als Glücksgriff heraus. Die ganze Kapelle war außerordentlich gut gelaunt und hatte sich in ansehnliche Kostümierungen gezwängt. So sollte dann noch einmal der Spaßfaktor dominieren: Die Mittelmärker servierten mitgröltauglichen Funpunkrock und nahmen weder sich noch andere ernst. „Schmachwanderunk“ inszenierten ihren landwirtschaftlichen Background konsequent, es fehlten weder der potenzielle Kultsong „Dorfattack“ noch die politisch eindeutige Forderung, dass der „Bauer“ doch sein „Thor-Steinar-Nicki“ ausziehen solle. Da waren eindeutig kabarettistische Fähigkeiten zu erkennen, und was an qualitativen Schieflagen zu erkennen war, das wurde ruck-zuck durch Showmaster-Qualitäten kompensiert. Die Jungs sind definitiv ein Gute-Laune-Garant!

Nach Ende des Konzertes ergoss sich eine Lawine durchgeschwitzter Menschen in die Kühle der Nacht. Niemand, der nicht auf seine Kosten gekommen wäre. Oliver Dietrich

Oliver Dietrich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })