Kultur: Pointiert
Neues Kammerorchester: „Sinfonische Stimmen“
Stand:
Neues Kammerorchester: „Sinfonische Stimmen“ „Deutsch“, kokettiert ein jüdisches Bonmot, „ist einer der schönsten Dialekte des Jiddischen“. Musik nicht weniger. Nach Gesungenem erklingen nun bei der „Vocalise 2004“ am Donnerstag in der Erlöserkirche „Sinfonische Stimmen“. Vorzugsweise in jiddischem Dialekt und klangvermittelt vom Neuen Kammerorchester Potsdam unter sachkundiger Leitung von Ud Joffe. Was ist an den Werken von Ernest Bloch, Yehezkel Braun, Aaron Copland und Gustav Mahler nationales Kolorit, was jüdische Musik? Das gut besuchte Sinfoniekonzert, das saisonal zweite innerhalb der Konzertreihe des Neuen Kammerorchesters, welches die Klarinette in den Mittelpunkt der Klangofferten stellt, sucht Antworten darauf zu geben. Breit, ja geradezu ausufernd strömen die Kantilenen im mehrteiligen „Psalm für Streicher“ des in Breslau geborenen Yehezkel Braun (geb. 1922). Ihnen wie auch den synkopierten Tanzrhythmen huldigen die Musiker mit Hingabe. Federnd und pointiert durcheilen sie die schnellen Sätze. Mit geschärftem Tonfall entdecken sie in den Adagii das jüdische Idiom, das dem Melodienfluss und den harmonischen Entwicklungen innewohnt. Ein gefälliges Stück. Ebenfalls mit einem elegischen Gesang hebt das Klarinettenkonzert von Aaron Copland (1900-1990) an. Dieser „langsam und expressiv“ auszudeutende erste Satz klingt wie eine Hommage an die Weiten der Prärie und erinnert an das Largo aus Dvoraks e-Moll-Sinfonie „Aus der Neuen Welt“. Hanno Pilz, Soloklarinettist im Landesjugendsinfonieorchester Brandenburg und Student an der Berliner „Eisler“-Musikhochschule, begeistert mit weichem Ansatz, weitschwingendem und kräftigem Ton. Er steht, mit direktem Blickkontakt zum Dirigenten, hinter den Streichern, zwischen Klavier und Harfe. Doch auch durch sein unaufhörliches „Singen“ ist er gleichsam in den Klangapparat eingebettet. Die expressive Kadenz, keck daherkommend und einen weiten Tonraum ausschreitend, leitet zum „ziemlich schnell“ zu nehmenden Finale über. In dieser Groteske zeigt sich der Solist als virtuoser, akrobatischer „Vorturner“ im quasi muskelbetonenden Jazzdress. Dass Gustav Mahlers Adagietto aus seiner 5. Sinfonie mit seinem romantischen Schwelgen durchaus zu schlichter Größe auflaufen kann, ist Joffe und seinen Musikern zu danken. Ihre abgespeckte Deutungsversion fern betörenden Seelenschmalzes lässt die Partiturfeinheiten klanggeschmeidig zur Geltung kommen. Hochachtung. Dass den Werken auch eine gehörige Portion Chuzpe innewohnen kann, offenbart das Concerto grosso Nr. 1 für Streicher des schweizerisch-amerikanischen Komponisten jüdischer Abstammung Ernest Bloch (1880-1959). Sein neobarocker Gestus basiert auf alten Formen bis hin zur Fuge und behandelt das obligate Klavier gleichsam als Continuo-„Ersatz“. Die Musiker sind den Stimmungen der vier Sätze mit Intensität, nachgerade ausdruckssüchtig auf der Spur. Im langsamen „Dirge“-Satz offenbart sich der „jiddische Dialekt“ der Musik in seiner Dur-Moll-Mischung auf das Vortrefflichste, von der Konzertmeisterin versiert vorgetragen. Anhaltender Applaus. Peter Buske
Peter Buske
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: