
© Kabarett/Schulzendorff
Kultur: Politiker als Olsenbande
„Filmriss“: Die Obelisken mit neuem Programm
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Ein politisches Amt ist ohne ein gewisses schauspielerisches Talent ja kaum zu bekleiden. Wie sonst sind die filmreifen Leistungen von Staatsoberhäuptern, Parteivorsitzenden oder all den vielen Abgeordneten zu erklären, sobald das Licht der Öffentlichkeit auf sie gerichtet ist. Was liegt für die drei Stammkabarettisten vom Obelisk also näher, als die Komödienstoffe und Lachnummern der jüngeren politischen Realität mit der weiten großen Welt des Films mal fest, doch meistens lose in Bezug zu setzen und vor allem eine übergreifende Parteienschelte zu betreiben.
Wer sich am Samstagabend zur Premiere des neuen Obelisk-Programms „Filmriss“ aufgemacht hat, erfreut sich der guten Portion Satire, des gewohnt üppigen Liedguts und sieht auch mal die Gretel Schulze mit wehenden Haaren am Bug der Titanic stehen.
Oft fungieren da Filme wie „Easy Rider“ oder „The Big Lebowski“ lediglich als Stichwortgeber, und sei es nur für eine Pose oder eine schnell und sauber ausgeführte Szene: Etwa whiskeytrinkend bei E-Gitarrenklängen auf Barhockern sitzen und zotig abstruse Witze über Putin, Sarkozy und Wowereit erzählen, bevor man Arm in Arm über die Bühne schwankt. Wer allzu genau den Parallelen nachspürt, verdirbt sich freilich den Spaß und vielleicht auch das Staunen über die Kopfbedeckungen, daran an diesem Abend kein Mangel herrscht und dank derer Helmut Fensch bald zum wahren Verwandlungskünstler avanciert. „Honeckers“ Kurzauftritt ist nicht nur optisch verblüffend, auch wenn das an keinen Kinofilm erinnert. Erst als Fensch im Duett mit Gretel Schulze in Hans-Albers-Manier über die Finanzkrise klagt und „Auf der Deutschen Bank, nachts um halb eins“ in den Saal hineingrölt, wird die Filmgeschichte wieder gestreift.
Ansonsten erlaubt man sich freimütige Leinwandferne, zelebriert man die Filmrisse gern. Immer wieder und besonders inbrünstig wird auf Philipp Rösler herumgehackt, wird über die „fleischgewordene Biotonne“ Claudia Roth und die weder schöne noch kluge Andrea Nahles ebenso herzhaft gegackert wie über Sahra Wagenknecht oder den saufenden Rainer Brüderle. Und selbstverständlich darf kein Abend vergehen, an dem nicht wieder über Angela Merkel gelacht wird, wofür Gretel Schulze nicht nur sehr schön die Mundwinkel runterzieht und den müden Tonfall imitiert, sondern auch ihren wieder vielbejubelten Hit „Pokerface“ beisteuert. Es zeigt sich erneut, welch eine Qualität diese Frau allein mit ihrer Präsenz und erst recht mit ihrer Stimme dem Obelisken-Kabarett doch verleiht. Immer dann, wenn die Schulze loslegt, wenn sie etwa mit der restrauchigen Stimme des Boxtrainers Ulli Wegner Herbert Grönemeyers „Männer“ parodiert und wenig später Nina Hagens „Farbfilm“ trällert, bestehen Andreas Zieger und Helmut Fensch neben ihr zwar als gute Begleitmusiker, wirken aber auch etwas blass und unfreiwillig komisch.
Obwohl an diesem Abend keiner der 150 Gäste so recht mitklatschen will, ist das Eis recht schnell gebrochen, was sicher weniger den nur erzählten und bisweilen auch schon mal mühsamen Witzen als vielmehr den musikalischen und gesanglichen Darbietungen zu verdanken ist. Das Trio kann sich eben auf seine größte Stärke verlassen und es sich leisten, in teilweise rasenden Dialogen und wilden Gedankensprüngen vom Wege abzukommen. Solange eine Cover-Version des Puhdys-Klassikers „Geh zu ihr“ äußerst gut gelingt, ehrt man durch Erinnerung, bevor man assoziiert. „Wie komm ick jetz uff Guttenberg?“, fragt sich Gretel Schulze einmal hochvergnügt. Und dann tauchen noch die Mitglieder der Olsenbande oder die Söhne der großen Bärin auf, werden Blockbuster und Leinwandspektakel besungen. Nur reißt bis hin zu den Zugaben Film um Film, gerade inmitten dieser Großzügigkeit aber niemals die wirklich gute Unterhaltung. Daniel Flügel
Daniel Flügel
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