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Kultur: Politiker nach Maß

„Adenauer mit Augenzwinkern“: Karikaturen von Wilhelm Hartung im Kulturministerium

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Sollte es Zufall sein, dass der Karikaturist Wilhelm Hartung sich in einem Selbstporträt beinahe wie Willy Brandt zeichnete? Dasselbe Lächeln, dieselben wirren Haare, der ganze Ausdruck erinnert stark an diesen SPD-Mann und Bundeskanzler. Dabei war der 1919 in Cuxhaven geborene Künstler doch auf einen ganz anderen eingeschworen. Neben einer interessanten Vita und mancherlei anderer Arbeit tat er sich in den 50er und 60er Jahren durch politische Karikaturen an der Person des „Architekten der Bundesrepublik“ und ersten Kanzlers Konrad Adenauer (1876-1967) in der „Welt“ hervor. 2001 hatte die gleichnamige Stiftung die gesammelten Werke dieses „Brandt-Kopfes“ auf Reisen geschickt, nun sind sie im zweiten Stock des Wissenschafts- und Kulturministeriums in der Dortustraße angekommen.

Zur Vernissage am Dienstag fanden sich neben der Hausherrin Johanna Wanka noch zwei andere Promis ein. Paul B. Wink, Verwaltungsdirektor a. D. der Konrad-Adenauer-Stiftung und Ausstellungs-Initiator, berichtete in warmen Worten von diesem Charakterkopf, indes der Histor Wieland Niekisch sich alle Mühe gab, ihn ins Maß der ostdeutschen Gegenwart zu bringen. Ein Freund von Rosen, Boccia-Spiel und natürlich des Westens, sei der Alte hierzulande noch immer „meist negativ besetzt“, wegen der „Staatsbürgerkunde“, klar. Unter Weglassung ungeeigneter Lebensdetails zeichnete der Landtagsabgeordnete und CDU-Mann ein sehr goldiges Bild dieses Altkanzlers „von europäischem Rang“, wobei er dessen Verhältnis zur DDR so wenig erwähnenswert fand wie die Tatsache, dass ihn die Briten 1945 als OB von Köln absetzten, weil er vergaß, ein paar Nazis aus der Verwaltung zu entfernen. War er nicht auch an der deutschen Spaltung beteiligt? Trotz alledem bleibt Niekisch guter Hoffnung, dass ihn die Hiesigen wenigstens als (lediglich kaltgestelltes) „NS-Opfer West“ annehmen. Klitterte es da? Politiker malen sich ja ihre Bilder und Ikonen zu gerne selbst. Kritik gleich Null.

Wilhelm Hartung hat Adenauers politische Schachzüge „mit Augenzwinkern“ begleitet. Zeichnerische Vorbilder wie Busch, Menzel, Gulbranson, Thöny und Richter vor Augen, den Genius Mozart im Ohr, bildete er ihn öfter als Vogel ab, oder als Fuchs, der er war. Kennt man den, so kennt man die Welt! Auffallend häufig auch als Tänzerin: mit dem US-Präsidenten Dwight Eisenhower 1959 vor westeuropäischer Kulisse, mit John F. Kennedy nach dem Mauerbau 1961, mit dem britischen Premier Harald Macmillan 1963 beim Atomteststopabkommen.

Die Karikaturen des „verhinderten Schulmeisters“ Hartung sind so historisch wie gelegentlich witzig: Konrad I. als „Der Hoffnungsvolle“ auf dem Sockel, nach seiner vierten Wahl nur noch „Der Gewohnte“ mit Wunsch nach Personenwechsel – Brandenburg, ick hör“ dir trapsen! Als Alter Fritz rief er seinen Wählern zu: „Kerls, wollt ihr mich denn ewig wählen?“, mit dem gallischen Hahn de Gaulle spannte er eine Brücke über den Rhein, sonst findet man meist harmlose Sichten auf die bundesdeutsche Parteienlandschaft von Strauß bis Erhard, nichts Gefährliches. Hartung kritisiert den Großen Konrad ja nicht, er illustriert sein Tun mit freundlichem Wimpernklimpern. Kurze Kommentare unter jeder Karikatur erleichtern dem Betrachter das Verständnis jener Tage.

Konzeptionell will diese Ausstellung den alten Fuchs (wer würde ihm ohne Misstrauen begegnen?) in die Gegenwart hineinmontieren, doch oh Schreck – DDR-Themen fehlen! Gemach, mit der „Soff-jetzone“ hatte er, 73jährig erstmals zum Kanzler geschlagen, sowieso nichts am hochberühmten Pepita-Hut!

Sehr lehrreich, wie hier eine historisch umstrittene Figur zum moderaten Zeitgenossen gemacht werden soll, wunschgemäß nach Maß. Die Füchse sterben eben nicht aus. Einfach nur lächeln. Wilhelm Hartung tat es ja auch!

Bis zum 28. Februar Mo.-Do. 7.30 bis 17.30, Fr. 7.30 bis 15.30 Uhr

Gerold Paul

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