Kultur: Potsdam links unten
Schon wieder ein neues Stadtmagazin: „krul“ gibt sich alternativ / Heute Release-Party
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Schon wieder ein neues Stadtmagazin: „krul“ gibt sich alternativ / Heute Release-Party Ein Stapel ungewöhnlich gestalteter Hefte mit einer grün-gelben, stilisierten Blume und einer Vielzahl kleiner schwarzer Punkte, die an Blindenschrift erinnern, auf dem Titelblatt, der am Monatsbeginn zum Mitnehmen in den Cafés der Stadt auslag, ließ sofort die vielen erfolglosen Versuche, die Potsdamer Kultur anspruchsvoll und kritisch über den Monat hinweg zu begleiten, Revue passieren. Sie hießen Potz, Der Potsdamer oder Zum Stadthirschen und scheiterten immer daran, dass der lokale Ansatz auf Dauer zu wenig Werbekunden locken konnte, deren Anzeigen das kostenlose Erscheinen zu sichern hatten. Übrig geblieben ist nur die „events“. Dieser Monopolist wird zwar von jedermann durchgeblättert, der sich einen Überblick verschaffen möchte. Hier ist nun mal der umfassendste Veranstaltungskalender zu finden. Aber für alle, die sich lieber nicht mehr auf den beliebten „Party-Pics“ wiederentdecken möchten, für diejenigen, die den Models auf der Seite mit erotischer Fotografie („fotoshooting“) ihr unisono genanntes Hobby „Lesen“ nicht mehr so einfach abkaufen wollen, und diejenigen, die immer noch eine Trennung zwischen redaktionellem Beitrag und Werbung für sinnvoll halten, für sie alle ist die „events“ irgendwie ein notwendiges, unter Dauerschwips stehendes, buntes Wohl-oder-Übel. Nun also „krul“, ein 50 Seiten starkes Blatt, getragen von einem sich gerade gründenden Verein Kulturraum e. V. Der Titel ist das Akronym von „Kultur Raum unten links“, der kleine Pfeil im Namen deutet darauf hin. Thomas Reukauf, einer der zehn aus dem Redaktionskollektiv, gibt die Erklärung: „Potsdam ist immer im Schatten von Berlin“. Außerdem, so Reukauf, bliebe der Name sofort hängen. Auffällig ist das an Grafik und Schrift orientierte Gestaltungskonzept, realisiert in Schwarz-Weiß, jeweils mit nur einer anderen Sonderfarbe. Das Design gibt sich verspielt. Textblöcke, Schriften und Schriftgrößen und grafische Elemente formieren sich auf jeder Seite neu. Das ist ein Tribut, den der Zeitgeist verlangt. Der redaktionelle Teil hat eine erfreuliche stadtnahe Orientierung, wenn sich auch als roter Faden eine trotzige linksalternative Attitüde durch viele Beiträge zieht, die ein wenig verstaubt klingt. So findet sich eine Kolumne zur längst vergessenen Landtagswahl mit reichlich uninspirierten Kalauern über Landespolitiker, oder ein „Leserbrief“ an den Oberbürgermeister, in dem es heißt, „dass es in Potsdam schlichtweg keine Sau interessiert, ob Potsdam nun Kulturhauptstadt wird oder nicht“. Hier ist die öffentliche Wahrnehmung schon wesentlich weiter und differenzierter. Wie übrigens auch in der im Heft diskutierten Frage der Parkgebühren. Dennoch hat „krul“ das Zeug, eine Leerstelle in der engen Medienlandschaft der Stadt zu besetzen, in der Kontroversen mit Zuspitzungen ausgetragen werden könnten und alternative Stimmen zu Gehör kommen. Das würde der Meinungsvielfalt gut tun. Zu den überzeugenden Teilen des ersten „krul“ gehört die „Nahaufnahme“, ein kurzes Zufallsinterview mit einem Potsdam-Besucher. „Was gefällt Dir an Potsdam?“ Antwort: „Dass mein Hund hier frei herumlaufen kann.“ Ein Text zeigt auf, dass man Babelsberg 03 einfach lieben muss, und die fundierten CD-, Buch- und Filmkritiken sind erfreulich weit weg vom Mainstream. Und wer hätte gewußt, dass man in Potsdam für 4 Euro noch einen Trockenhaarschnitt bekommt, und das nachts um 22 Uhr? Die Qualität des Inhalts kann sich steigern, und soll es auch. Denn „krul“ ist als ein offenes Forum gedacht, man will die kritische Mitarbeit der Potsdamer, für die alle Rubriken offen stehen, ob Comic oder Prosatext. Für diesen Meinungsaustausch steht auch die schicke Internetseite www.krul.de zur Verfügung. Der Erfolg von „krul“ wird entscheidend von der Menge und Güte der im hinteren Teil versammelten Termine abhängen. Die Kooperation mit den geschäftstüchtigen Betreibern von potsdam-abc ist ein gutes Fundament. Matthias Hassenpflug „krul“ stellt sich heute offiziell allen Interessierten zur Release-Party um 22 Uhr in der fabrik vor.
Matthias Hassenpflug
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