Kultur: Potsdamer Klassiker
HOT-Fernsehaufzeichnung „Buschmann und Lena“
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In seinem Aufsatz „Neue Musik, veraltete Musik, Stil und Gedanke“ (1930, deutsch 1945) untersucht der Komponist Arnold Schönberg, warum die Werke Bachs oder der Romantik so rasch aus der Mode kamen und durch Werke neuen Stils ersetzt wurden. Seine Antwort: Sie wurden nicht plötzlich wertlos, vielmehr ließ ein rasanter „Wandel unserer Lebensformen“ „das Alte“ verschwinden. Verhält es sich mit den alten Schauspiel-Legenden der siebziger und achtziger Jahre aus dem Hause „Hans Otto“ etwa genauso? Was im „alten Theaterstandort Zimmerstraße“ begann, setzten HOT, Deutsches Rundfunk-Archiv und die Rosa Luxemburg Stiftung am Sonntag im Foyer des Theaterneubaus mit einer Fernsehaufzeichnung von „Buschmann und Lena“ fort.
Der weiße Südafrikaner Athol Fugard schrieb dieses Zweipersonen-Stück im Jahre 1969, sechs Jahre später inszenierte es Rolf Winkelgrund mit Gertraud Kreißig und Hansjürgen Hürrig als Protagonisten, Peter Pauli übernahm den dritten, meist nonverbalen Part, in Person eines alten, sehr dunkelhäutigen Kaffers. Der sehr dichte und ganz psychologische Text handelt von den vagabundierenden Ehepaar aus dem Stamm der Buschmänner, welches mit ein paar Habseligkeiten durch das Apartheid-Südafrika vagabundiert, weil weiße Bosse ihre sumpfige Wohnsiedlung aus hygienischen Gründen plattgemacht hatten. „Danke, Boss!“, war die Antwort der enthausten Bewohner. Dafür entzündete sich Buschmanns Wut an seiner ihm folgenden Frau. Er drangsaliert sie, schlug sie zuvor wegen ein paar zerbrochener Pfandflaschen, bescheidene Lebensgrundlage des ungleichen Paares.
Rolf Winkelgrund stand damals für erstklassiges Theaterhandwerk, präzisen Realismus und Gespür für Bühnensituationen, vor allem für Werktreue dieser flüchtigen Kunst. Ganz auf Fugard vertrauend, inszenierte er weder eigene Intention noch aktuelle „Politik“, schuf somit ein Werk, das zwar nicht unvergänglich, aber bis heute Zeugnis vom Kunstwillen der Bühne ablegt.
Gertraud Kreißig gibt in diesen Szenen einer Ehe das facettenreiche Abbild einer bettelarmen Frau, die von ihrem Mann gehört und akzeptiert werden will, Hansjürgen Hürrig seinen eigenen Boss, bis der Kaffer unversehens stirbt. Jetzt ist Buschmann in der Klemme, Lena triumphiert, denn die Weißen könnten ihm diesen Tod anlasten. Weil aber zwei besser durch diese düstere Landschaft kommen, ziehen sie gemeinsam davon, er vorneweg, sie hinterher.
Die TV-Aufführung war akustisch nicht vom Feinsten, viele sprachliche Details gingen einfach unter. Aber man sah in den Protagonisten zwei Künstler voller Kraft, Phantasie und sozialer Aktion. Moderator Claus Dobberke versprach den „Verehrern des Alten" ab Mai die Fortsetzung dieser Matinee mit weiteren Aufführungen des Hans-Otto-Theaters aus vergangenen Zeiten.
Klassiker vergilben eben nicht so leicht, auch wenn sich die Lebensformen rasant verändern. Sie enden einfach nur später. Gerold Paul
Gerold Paul
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