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Kultur: Potsdams unnötiges Versteckspiel

Klassik plus Gespräch mit Johanna Wanka und Bernd Kauffmann

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Klassik plus Gespräch mit Johanna Wanka und Bernd Kauffmann Da schwang schon etwas Sehnsucht mit, als am Mittwoch im Foyer des Nikolaisaals die Kammerakademie die nunmehr dritte Veranstaltung in der Reihe Klassik plus Gespräch mit einem Tango von Agustin Bardi eröffnete. Peter Reil, als Deutschlands bekanntester Bandoneonspieler gepriesen, mit dem Pianisten Robert Schmidt das traditionelle Thema vorgebend. Dazu die Streicher, mal eigenwillig kokett, dann wieder unisono streng marschierend, mit ausgelassener Spielfreude in dieser südamerikanischen Melange aus Habanera- und Milongarhythmen, in der neben besagter Sehnsucht auch immer eine hoffnungsvolle Leichtfüßigkeit zu spüren ist. Klaus Büstrin hatte die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur Johanna Wanka (CDU) und den Generalbevollmächtigten der Stiftung Schloss Neuhardenberg Bernd Kauffmann eingeladen, um über „Die Kulturstadt Potsdam – Vorstadt der Bundeshauptstadt?“ zu reden. Potsdam und die Kultur in Zeiten, in denen an allen Ecken und Enden die Gelder, wenn sie nicht schon fehlen, gekürzt werden. Trotzdem die Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas 2010. „Kulturstadt Potsdam“, ein Thema also, zwischen Sehnsucht nach Verbesserung und Leichtfüßigkeit im Umgang mit der derzeitigen Situation. So fiel die Antwort Johanna Wankas auf die erste Frage, ob Kultur überhaupt noch bezahlbar sei, erwartungsgemäß aus. Die fehlenden Mittel in den Kommunen, der Rückzug von Sponsoren – um die finanzielle Lage der Kultur in Brandenburg sei es nicht sonderlich gut bestellt, so die Ministerin. Doch sehe sie in der angespannten Situation auch eine Chance, dass endlich die Zwänge der rechtlichen Regelungen, die genau vorschreiben, welches Geld für welchen Zweck auszugeben sei, aufgelöst werden und so der Umgang mit den begrenzten Geldern in den Kultureinrichtungen freier zu gestalten sei. Dieses „Verrechtlichungssystem“, zu dem Deutschland immer mehr verkomme, kritisierte auch Bernd Kauffmann, der von 1996 bis 2000 Generalbevollmächtigter der „Weimar 1999 – Kulturhauptstadt Europa GmbH“ war. Ein streitbarer Kopf, der bei diesem Gespräch die Akzente zu setzen wusste und viel Zuspruch vom Publikum bekam. Ob er sich nun gegen den Begriff „elitär“ in der Programmgestaltung der Stiftung Schloss Neuhardenberg verwehrte oder von den Kulturveranstaltern mehr Mut zu Neuem verlangte, da Kultur immer auch Streit und Reibung sein müsse, Kauffmann präsentierte sich als Mensch, dem ausgetretene Pfade immer suspekt erscheinen. So kritisierte Kauffmann das Bedürfnis vieler Städte, ein Theaterhaus ihr eigen zu nennen. Allzu oft verhalte es sich hier wie mit manchen Nobelrestaurants. Die teuerste Einrichtung, wertvolles Porzellan und serviert wird schlechtes Essen, weil das Geld nicht mehr reicht. Kauffmann schlug vor, vorhandene Hallen oder andere Gebäude für Aufführungen zu nutzen, was Abwechslung verspreche und auch Neugier bei einem breiteren Publikum wecken könne. Für die Bewerbung Potsdams um die Kulturhauptstadt Europas 2010 forderte er eine Loslösung von der „Zensur des Geldes“. Man solle sich nicht jetzt schon fragen, was das alles 2010 kosten könnte. Entscheidend seien erst einmal die Ideen, mit denen man auch ein europäisches Publikum nach Potsdam holen könne. Hier müsse sich Potsdam noch mehr trauen, denn noch verstecke sich die Stadt zu sehr. Die Nähe zu Berlin bezeichnete Kauffmann als unglaubliche Chance, denn hier sei all das möglich, was Berlin nicht habe. Ansonsten blieb das Gespräch sehr vorsichtig und unentschlossen, vermisste man eine angeregte Diskussion. Die Kammerakademie ging da schon beherzter zu Werke. Drei Tangos von Astor Piazzolla von den Streichern der Kammerakademie spannungsreich interpretiert, Renate Look und Matthias Leupold an der Violine dabei in einem wunderbaren Dialog. Zum Abschluss wieder drei traditionellere Tangos mit Reils treibenden Bandoneonspiel, die derart überzeugten, dass das Publikum erst nach zwei Zugaben die Musiker entließ. Dirk Becker

Dirk Becker

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