Kultur: Preis der Kunst
„Schnäppchenmarkt“ in der Galerie M
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Unsere gelddominierte Gesellschaft hat Angst: Angst vor Arbeitslosigkeit, Angst vor Bettflucht, Angst vor dem Altern, aber vor allem Angst vor Armut. Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist offensichtlich, kein Geld zu haben.
Damit der aktiengeschüttelte Verbraucher sich auch an Weihnachten beruhigt auf die Bettstatt legen kann, haben sich die findigen Organisatoren der Galerie M im Luisenforum dieses Mal ein zwar schnödes, aber auch sehr befreiendes Motto gegeben: Arbeiten bis 200 Euro, steht auf der roten Einladungskarte zum „Kunstmarkt“, und die Summe wiederholt sich darauf wie die finanziell erotisierten Gedanken eines Dagobert Duck. Wirkliche Schnäppchen kann man da machen: 35 Künstler bieten mit 116 Werken eine Auswahl von Arbeiten, deren Preis bei 15 Euro beginnt („Pfortenbuch“ von Carola Czempik) und gezwungenermaßen bei 200 Euro endet. Sujet, Stil und Technik variieren dabei naturgemäß heftig – aber ein Markt ist bunt: Da gibt es Aquarelle, Collagen, Temperaarbeiten, Holz- oder Linolschnitte und kleine Keramikskulpturen. Diese schlanken winzigen Frauen stehen in der Vitrine und warten auf Abholung. Bettina Schillings „Läufer“ sind in Öl auf Kork gemalt. Die Figuren sind zwar kleiner als im Leben, aber echt ausgeschnitten. Wer sich diese Wandläufer ins Wohnzimmer hängt, hat für die 180 Euro einen guten Fang getan, der zwar so aussieht, als würde er weglaufen, aber stoisch am immer gleichen Platz verharrt. Ihre Arbeiten sind mit das Originellste, was die kunterbunte Mischung aufweist. Klaus Fahlbusch besticht mit Fotografien seiner Weltreisen, deren Schärfe bis in den letzten Winkel des indischen Lächelns gelangt ist, mit „Brooklyn Bridge“ ein großes Motiv neu sieht und bei den „Fischen“ auf den starken Magen des Betrachters setzt. Scheinbar tausend tote Augen glotzen aus den abgeschnittenen Fischköppen, dass einem flau werden kann. Aber die Ästhetik des von einem sehr lebendigen fotografischen Blick gefundenen Motivs überzeugt. Für 80 Euro zu haben. Grell sind die reinen Acrylfarben, in die Bernd A. Chmura seine „Ab stract“ genannten, vor erotischen Motiven nur so strotzenden Kleinquadrate getaucht hat. Dass dieser gerade in einer sehr produktiven Periode befindliche Künstler, der gerade im Café Guam eine Ausstellung eröffnete, über genügend Selbstironie verfügt, um auch prüderen Mitmenschen zu imponieren, beweisen seine beiden Holländerviertel-Impressionen. In naivem Stil liefert er doch gleich zwei Arbeiten, die, wie er selbst darauf schreibt, „null sex“ enthalten, dafür ganz viel unterschiedlich rote Giebelhäuser und einen Potsdamer Eindruck, den man sich auch in gutbürgerlichen Haushalten vorstellen kann.
Wer es weniger leuchtend mag, kann sich an die bewährten Arbeiten von Christian Heinze halten, der die Glienicker Brücke in sanftes Mondlicht taucht, das der berühmten Szenerie etwas Märchenhaftes gibt. Michael M. Heyers Eisenskulptur „balanciert“ auf einer schweren Kugel sehr filigran mit einer Stange in der Hand und scheint die gesamte Ausstellung in der Schwebe zu halten. Er verbindet die Linien von Christian Heinzes Mondlicht mit dem Siebdruck „Importé d''Italie“ von Lisa Schwarz. Auf einer roten Scheibe sind Modellzeichnungen von vier komplizierten Landwirtschaftsgeräten gezeichnet – vielleicht als Mahnung an die Arbeit gedacht, die unserem mediterranen Pastaschlemmen vorausgeht. Mit Kreidezeichnungen wartet Christiane Winkler auf, die trotz des privaten Sujets („Unser Haus“) allgemeingültig die Sehnsucht nach dem eigenen Heim klischeefrei thematisieren. Bettina Meyer blickt in „Ausfahrt der Stadtabenteurer“ wie durch ein Weitwinkel auf eine Landschaft mit Kanal, auf dem klein und im Tross ein Wasserfahrzeug nach dem anderen die Städter in die Idylle bringt. Die Bäume am Ufer blicken Spalier auf diese friedliche Invasion. Und so kann man in dieser Ausstellung ein Bild nach dem anderen in Augenschein nehmen, unterschiedliche Handschriften und Fantasiewelten studieren und sich das eine oder andere, den finanziellen Rahmen nicht sprengende Weihnachtsgeschenk mit nach hause nehmen – und sei es für sich selbst.
Bis 23. Dezember im Luisenforum, Brandenburger Straße.
Lore Bardens
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