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Kultur: Preuße, Denker, Muttersohn Dirk Kaesler stellte seine Max-Weber-Biografie vor

Max Weber war Ökonom, Jurist und Historiker und gilt heute vor allem als Begründer der Soziologie. Am 21.

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Max Weber war Ökonom, Jurist und Historiker und gilt heute vor allem als Begründer der Soziologie. Am 21. April 1864 in Erfurt geboren und am 14. Juni 1920 in München gestorben, deckt sich seine Lebensspanne fast genau mit der Existenzdauer des Deutschen Kaiserreichs, mithin einer Zeit der Epochenbrüche. Anlässlich des 150. Geburtstags von Max Weber hat der Soziologe Dirk Kaesler jüngst eine umfassende Biografie über ihn geschrieben und darin deutlich gemacht, dass Leben und Werk dieses großen Universalgelehrten nicht nur zeitgenössische Tendenzen widerspiegeln und eng ineinander verzahnt sind, sondern auch durch seinen familiären Hintergrund vorgeprägt waren. Am Mittwochabend stellte Kaesler „Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie.“ in der sehr gut besuchten Stiftungsbuchhandlung vor.

Dass Kaeslers über tausendseitige Biografie ganz ohne Fußnoten auskommt, mag vielleicht verwundern. Doch habe er auch kein wissenschaftliches Buch, sondern eine Erzählung schreiben wollen, betont der seit Kurzem in Potsdam lebende emeritierte Soziologieprofessor gleich eingangs. Und tatsächlich durchzieht ein bisweilen zwar etwas spröder, aber doch sehr romanhafter Ton die Passagen, die er an diesem Abend aus seinem Buch vorliest. Darin taucht er ein in die längst vergangene Lebenswelt Max Webers, zeichnet ihn als Kind seiner Zeit. Einer Zeit, in der das deutsche Bürgertum versuchte, sich zwischen Aristokratie und aufkommendem Proletariat zu behaupten, die Industrialisierung fortschritt, das Deutsche Kaiserreich imperialistische Ambitionen hegte und es Kriege und Revolutionen gab. So wie all diese Ereignisse gesellschaftspolitische Themen lieferten, die sich in Max Webers Werk niederschlagen, so waren es beispielsweise auch die vom modernen Unternehmergeist beseelten Kaufleute in seiner Verwandtschaft, die sein Denken mitbeeinflusst haben. Selbstverständlich und sogar auf besonderen Wunsch der Gäste referiert Kaesler auch über „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“, Webers erstmals 1904/05 erschienene und bis heute wohl bekannteste Schrift. Darin gelangt Weber zu dem Schluss, dass die Protestanten aus der frommen Überzeugung, Arbeit sei gottgewollter Lebenszweck und der Erwerb von Reichtum sittliche Pflicht, allmählich der kapitalistischen Gesinnung den Weg gebahnt hätten. Und überleitend kommt Kaesler dann auch auf den „okzidentalen Rationalismus“ zu sprechen, den Max Weber als Grundvoraussetzung für alle Entwicklungen der Moderne betrachtet hat. Was im nordamerikanischen und westeuropäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsleben begann – die zunehmende Rationalisierung und Bürokratisierung aller Lebensbereiche –, würde sich am Ende über den gesamten Globus verbreiten, so Webers beeindruckende Vision, die Kaesler recht aufwendig nachzeichnet.

Durchaus unterhaltsam wird es, als Dirk Kaesler über die Frauen im Leben Max Webers spricht. Dabei nennt er die vermögende Mutter Helene als dessen wichtigste Bezugsperson, schweift anekdotenhaft ab zu den Damen, mit denen Weber Affären hatte, und landet schließlich bei der Ehefrau Marianne, die dies duldete und deren 1926 erschienenes „Lebensbild“ ihres Gatten er in seiner Biografie häufig zitiert, aber auch mehrmals korrigiert. Freilich schmälert das am Ende dieser interessanten Lesung nicht die Neugier auf die Lektüre über einen Menschen, der seinerzeit mit analytischem Gespür und nüchternem Scharfblick bereits prophezeite, was uns heute in vielen Lebensbereichen allgegenwärtig ist. Daniel Flügel

Dirk Kaesler: „Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie.“ Verlag C. H. Beck, München 2014. 1007 Seiten, 38 Euro

Daniel Flügel

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