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Kultur: Preußische Astrologie

Olaf Thiede stellte sein Potsdam-Buch „Sonne, Stern und Krone“ vor

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„Wenn ein Archäologe in Ägypten gräbt, so muss er nicht an Anubis, den Totengott der Alten, glauben. Er muss nur akzeptieren, dass es damals so war“, sagte Olaf Thiede gestern bei der Präsentation seines neuen Potsdam- oder Preußenbandes im „Internationalen Buch“. Unter dem Titel „Sonne, Stern und Krone“ setzt es seine Suche nach dem „Gesamtkunstwerk Potsdam“ fort. Was er bisher unter Stichworten wie Sichtachsen, Geometrie oder Baustil herausgefunden hat, ist jetzt schon mehr, als mancher Schulweise sich träumen lässt. Der Maler und Buchgestalter versteht es, hinter die Dinge zu schauen. Und erkennt, dass die großen Dinge der Welt, wozu auch „Preußen“ gehörte, nicht einfach nur Menschenwerk sind. Sie sind in ihrer symbolischen Gestalt viel tieferen und älteren Zusammenhängen verpflichtet: dem geometrischen Denken der Antike, den Ritualen der Vorväter, dem Glauben an die Kräfte des Himmels.

Was Thiede bisher eher an bautechnischen und stilkundlichen Themen festgemacht hat, bekommt nun auch eine „menschliche“ Dimension. Das zusammen mit Markus Wilhelmy verfasste Werk untersucht die gedanklichen und rituellen Hintergründe bei der Selbstkrönung Kurfürst Friedrich III. zum König Friedrich I. in Preußen: warum dieses Datum, der 18. Januar 1701, warum Königsberg und nicht Berlin, warum ein Dienstag, und weshalb zum Sonnenaufgang, kurz vor acht Uhr? Verschüttetes Wissen, nicht unbedingt esoterisch, meinte der Maler. Tatsächlich? Dieses fantastische Buch beweist doch gerade, wie Preußen nach astrologischen Gesichtspunkten begründet wurde und auch so funktionierte. Potsdams Stadtarchitektur ist ein Spiegel davon. Thiedes Erkenntnisse schreien nach „neuem Denken“, auch in Bezug auf den Selbstgekrönten: Er ist von nun an kein „Barockprotzi“ mehr, sondern einer, der gar „nicht anders konnte, als König zu werden“. Gerold Paul

Olaf Thiede, Markus Wilhelmy „1701. Sonne, Stern und Krone. Krönungsritual und Stadtplanung Potsdam“, 24 Euro

Gerold Paul

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